<<< vorherige Sage | Dritte Abtheilung: Ortssagen | nächste Sage >>>

Unwürde, Wuher

  Wendische Lieder I. 40.

Die Herren von Unwürde waren ein altes adeliges Geschlecht, aber in der Vorzeit übel berüchtigt. Davon singen noch heutigen Tages die Wenden in der Oberlausitz ein beliebtes Lied.

In dem Land' Unwürde
Ist gar große Fehde,
Konnte dort nicht bleiben
Reine reine Fräule,
Reine reine Fräule,
Reines Bauern Tochter
Konnte dort nicht wohnen,
Keine blühende Jungfrau,
Als die einzige eine,
Als des Schänken Tochter,
Dort in Niedergurig,
Namens Katharinchen.

Als dies hat erfahren
Der Herr von Unwürde,
ließ er gleich sich fahren
Auf den Markt zu Görlitz;
Hat sich lassen kaufen
Eine Rolle Leinwand,
hundert Ellen Sammet
Und auch weiße Seide;
Hat sich lassen nähen
Eine Frauenkleidung,
Hat sich lassen Kleiden
In die Frauenkleidung;
Hat sich lassen fahren
Als ein ehrbar Fräulein
Hin nach Niedergurig,
Auf den Hof des Schänken.

„Grüß dich Gott, mein Schänke!
Wolltest du berbergen
Nur ein einziges Nächtchen
Mich und meine Pferde?“

„Will dich wohl herbergen,
Doch ich hab' kein Bette,
Hab' für dich kein Bette,
Stall nicht für die Pferde.“

„Laß doch, laß das Bette!
Laß doch, laß die Pferde!
Mögen steh'n die Pferde
Mitten auf dem Hofe.
Aber ich will liegen
In der dunkeln Kammer,
In der dunkeln Rammer,
Auf dem harten Bänkchen.
Nur verbirg mich sicher,
Dem Herrn von Unwürde,
Dem Herrn von Unwürde,
Diesem bösen Teufel.“

„Sollt' ich dich herbergen
Heute Nacht im Hause,
Sollt ich dich verbergen,
Müßt ich dich verschließen.
Hinter die neun Schlöfser,
or win das zehnte Stübchen,
Dort zu Katharinchen,
Meiner schönen Tochter.“

Als dort war gekommen
Mitternachts um zwölfe,
Mitternachts um zwölfe,
Fing sie an zu schreien:

„Sei es Gott geklaget
Ueber meinen Vater,
Ueber meinen Vater
Und den von Unwürde.
Und den von Unwürde,
Diesen bösen Teufel,
Der mir stahl die Unschuld
Und mein grünes Kränzchen.“

„Warum weinst du, Mädchen?
hast ja hier drei Schlösser,
Schlösser wohlgemauert,
Und gar große Güter.“

„Laß doch, laß die Schlösser,
Schlösser wohlgemauert,
Laß doch, laß die Güter,
Deine großen Güter.
Kauf um Gold mir Schlösser,
Kauf um Silber Güter,
Aber Unschuld kauf ich
Nicht um Gold und Silber.
Kam ich sonst fahren,
Riefen alle Leute:
Seht, hier kommt die Jungfrau,
Des Schänkwirthes Tochter.
Komm ich jetzt gefahren,
Werden alle rufen:
Seht! hier kommt die Buhle
Des Herrn von Unwürde.“

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862