<<< vorherige Sage | Dritte Abtheilung: Ortssagen | nächste Sage >>>

Die Mordhöhle auf dem Drechslerberg bei Meffersdorf

  Nach Gräve S. 150

In dem Drechslerberge bei Meffersdorf war eine große unterirdische Höhle. In der hausten drei Räuber, die waren leibliche Brüder. Sie ermordeten die vorüberziehenden Reisenden, um sich ihres Guts zu bemächtigen.

Besonders hatten sie es auf junge Mädchen abgesehen, denen sie das Herz aus dem Leibe rissen, um es zu verzehren. Denn wer von neun verschiedenen Jungfernherzen gegessen hat, dem kann Niemand was anhaben. Das Schwerdt, das ihn tödten will, bricht, die Flamme, die ihn verbrennen soll, verlischt, der Strick, der ihn zu henken bestimmt ist, zerreißt. Der Name des jüngsten war Schmorpaul, weil er die Herzen in Fett zu schmoren pflegte, ehe er sie aß; es fehlte ihnen aber grade nur noch eins zu verspeisen, dann waren sie hieb- und stichfest. Eine alte Muhme hatten sie bei sich, die mußte ihnen die Wirthschaft führen.

Als einst die drei Mordbrüder, es war am Abend vor dem heiligen Osterfest, von einem Raubzuge nach Hause zurückkehrten, war der Berg wie von einem unsichtbaren Lichte erleuchtet und als sie näher kamen, gewahrten sie drei Männer von riesigem Wuchs, welche unablässig und ohne auf die Ankommenden zu merken, mit großen Sägen Bretter entzweischnitten. Was thut ihr hier auf unserm Gebiete? fuhr sie der älteste der Brüder an. Wir drechseln drei Todtenladen, war die Antwort, und augenblicks versanken die Gestalten und der Berg war finster wie vorher. Da schauderten die drei Mörder, aber bald hatten sie die Warnung vergessen.

Nach einiger Zeit kamen sie einmal an einer grünen Wiese vorüber, da lustwandelte eine reichgekleidete wunderschöne Prinzessin und pflückte Blumen. Die drei Mörder ergriffen sie und schleppten sie in ihre Höhle, da weinte die schöne Prinzessin gar kläglich. Aber in der Nacht fing die alte Muhme an zu singen:

„Weh Dir, Töchterlein der Frommen,
Bist in's Mörderloch gekommen,
Heute bist du frisch und roth,
Aber morgen bleich und todt.

Wird das Herz dir ausgerissen
Und verspeist als guter Bissen.
Weh dir, Töchterlein der Frommen,
Bist in's Mörderloch gekommen.„

Da sagte die Jungfrau der Alten, daß sie eine Prinzessin wäre und der Prinz, ihr Bräutigam, würde sie reich belohnen, wenn sie seine Braut rettete. Die Alte aber wurde gerührt von der Schönheit der Prinzessin und entfloh in der Nacht mit ihr aus der Höhle ihrer Vettern. Bald kamen sie über die Berge zu dem Prinzen, da war große Freude bei Hofe.

Die Mordhöhle aber wurde von den Knechten des Prinzen zerstört und die Mörder getödtet; denn es fehlte einem jeden noch gerade ein Jungfernherz zu verspeisen.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862