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Wie Rübezahl sich fernere Kirmslust macht

Rübezahl war nun einmal aufs Kirmsen gekommen. Deshalb hatte er bald wieder Lust, vom Gebirge ins Land hinunterzusteigen. Er nahm also eine Menge der schönsten Gebirgskräuter und Wurzeln und reiste als ein Wurzelmann über Friedberg und Greiffenberg nach Naumburg. Dort, dachte er, findest du Abnehmer, und die Klosterleute und der Herr Stadtrichter – er hieß damals Eyssenhardt, – und andere werden dir schon abkaufen.

Aber der Mensch denkt, Gott lenkt; denn überall, wo er auch hinkam, hatten die Leute von anderen Wurzelmännern gekauft und er wurde nichts los. Ungehalten war er darüber, wie es jeder ist, der eine getäuschte Hoffnung erlebt. Je weiter er kam, desto rabiater wurde er, bis es nicht mehr ging. Und wie es nicht mehr ging, so wurde er immer ruhiger und vernünftiger.

Geht es mir, sagte er zu sich, doch nicht allein so, und es gehen viele Kaufleute zum Markt und bringen nichts mit nach Hause. Am besten ist es, dachte er, ich mache es wie die Jäger. Es ist zwar alle Tage Jagttag, aber nicht Fangtag, sprechen die. Also tröstete er sich: Was ist da zu tun? Wenn die Leute keiner Wurzeln bedürfen, so muss man die Wurzeln als andere Ware verkaufen.

Hierauf zog er fort und kam in ein Dorf, wo er sich im Wirtshaus bewirten ließ. Wie er so da sitzt, kommt ein Leiermann und legt seine Leier vor sich hin.

Halt, dachte Rübezahl, ob den wohl jemand gedungen hat? Er fragt ihn.

Der antwortete: »Nein.«

Nun handelte Rübezahl mit ihm um den Taglohn. Sie wurden um 6 Groschen sowie Essen und Trinken beide miteinander einig. Während des Handels fragte er den Leiermann, ob er auch singen könne, und wie sonst die Gelegenheit bei ihm sei. Der Mann versicherte, singen könne er, aber gerade nicht eben schön, und besonders wenn er Luftwasser bekomme, denn da könne ihn gar niemand überschreien.

»Gut«, sagte Rübezahl, »das ist mir lieb. Wollen wir uns drum auf den Weg machen, damit wir bei guter Zeit nach Rothenwasser kommen, denn da ist Kirchweih, und wo eine Kirchweih ist, da verlässt Gott keinen Menschen.«

»Meinetwegen«, meinte der Leiermann, »aber sie haben dort ihre eigenen Musikanten.« Und macht dabei eine bedenkliche Miene. Also reisten sie miteinander fort, und kamen zu guter Zeit nach Rothenwasser. Der Leiermann musste durchs ganze Dorf hin spielen. Während dessen rief Rübezahl dazwischen seine Waren aus. Hatte der eine verstanden, er habe Pfeffer, so hatte der andere gehört Leinwand, und der Dritte gar Oberrüben, und so jeder etwas anderes, sodass keiner wusste, woran er war. Als nun aber die Bauern durchs Dorf hinauf den Spielmann so leiern hörten, wunderten sie sich gar sehr, verließen ihre Arbeit und liefen auf das Wirtshaus zu. Dort saßen die Dorfpfeifer und bliesen, dass es dem Menschen die Eingeweide im Leibe umkehrte und es kein anderer aushielt, wenn er nicht gerade ein Rothenwasserer war. Rübezahl hatte sich einen japanischen Bart gemacht, sodass Alt und Jung zusammenlief, den ausländischen Handelsmann zu sehen. Vor der Tür trieb er mit seinem Spielmann allerhand Possen und stellte den Bauern Fragen, die keiner beantworten konnte. Es ist nur schade, dass nichts davon auf uns gekommen war, sonst wüssten wir, ob die Bauern sonst dümmer als jetzt gewesen wären oder umgekehrt.

Endlich nahm Rübezahl seine Hocke, setzte sie am Haus auf einen Kasten und fragte den Schulzen, ob es erlaubt sei, seine Waren bei ihm feil zu haben, denn er sei aus fernen Landen und habe eitel rare Sachen zum Verkauf. Der Schulze sagte Ja. Hierauf gingen sie in die Stube hinein, aßen und tranken, und waren lustig und guter Dinge. Der Spielmann war dabei nicht der Letzte, zumal von wegen des Lustwassers, und spielte gar wacker auf, sodass bald niemand mehr in die Stube hereinkonnte, denn jeder wollte auch dem fremden Handelsmann ins Gesicht sehen.

Darüber wurden die Spielleute aus dem Dorf ungeduldig und sagten, der Spielmann solle nun mit Spielen aufhören, sie hätten hier allein das Recht.

»Schon gut«, erwiderte der, »ich werde sogleich aufhören, denn fünf wie ihr, können einem den Korporalbass schon auf den Rücken streichen.«

»Riecht ihr die Lunten«, versetzte einer der Biersiedler, »so habt ihr gewiss den Schnupfen nicht.«

Rübezahl lachte und fing an, seine Waren auszulegen. »Wenn ich sonst Lust hätte«, meinte er, »so sollte uns niemand unser Spiel stören. Wir wollten beide mit den Biersiedlern so kirmsen, dass sie lange an die Rothenwasserer Kirmes denken sollten. Doch«, fuhr er fort, »weil der Wirt ein dienstfertiger Mann ist, so wollen wir ihm das Ding nicht verderben.« Er unterrichtete nun seinen Spielmann, wie er jede Sache benennen solle, und schob hierauf den Vorhang, hinter welchem er bisher gestanden hatte, zurück und stand nun frei da. Jeder betrachtete ihn nach der Länge und nach der Dicke, und wunderte sich über den fremden Mann, ob er gleich, bis auf den Bart, aussah wie ein anderer, und selbst wie ein Rothenwasserer. Er nahm nun eine Wurzel in die Hand, die sich sogleich verwandelte, zeigte sie den Umstehenden und sagte: »Seht, ihr Leute, diesen indianischen, kandierten Vogel! Denn mein ganzer Kram besteht aus solchen kandierten Vögeln und Federvieh, und habe ich solches alles aus Japan selbst mitgebracht.«

Und nun sagte er ihnen, wofür sie gut waren, zerbrach sie und gab sie ihnen in die Hand, dass sie dieselben kosteten. Nun freilich, das schmeckte gut. Es fingen also die jungen Bursche an zu kaufen, schenkten davon ihren Mägdlein, und in kurzer Zeit war der ganze Kram verkauft. Hierauf schenkte Rübezahl der Schulzin seinen Kraksen und ein Stück von seiner Ware, und sagte, sie solle es bis morgen liegen lassen, dann werde es ihr nützlich sein. Die Frau trug alles in ihre Kammer und bedankte sich. Rübezahl war noch mit den Gästen die Nacht hindurch lustig und zog dann, noch ehe die Käufer ausgeschlafen hatten, des Morgens weiter. Früh, als die Leute im Dorf erwachten, betrachteten sie ihre erkauften Sachen. Sie wischten sich die Augen und wischten sie wieder, doch half es nichts; denn sie mochten sie nun wischen, wie oft sie wollten, sie sahen nichts mehr von ihren erkauften Vögeln. An ihrer Stelle lag immer eine Wurzel. Anfänglich waren sie freilich darüber bestürzt, trösteten sich aber bald: Nun, es tut nichts, wisst ihr doch, wozu sie gut sind! Es hätte ihrer ein Teil gern mehr gehabt, wenn nur der Verkäufer noch da gewesen wäre, denn sie hatten alle zu ihm ein Vertrauen gefasst.

Bei dieser Gelegenheit dachte die Wirtin auch ihres Geschenks. Sie holte es also herbei und fand, dass es zu lauter gediegenem Gold geworden war. Da war denn freilich im ganzen Haus große Freude. Laute Segenswünsche für den gütigen Geber kamen aus der dankbaren Brust.

Rübezahl aber, als er bis Bertsdorf bei Lauban gekommen war, bezahlte seinen Spielmann, dankte ihn ab und schenkte ihm zum Andenken eine Wurzel. »Denn«, sagte er, »da Ihr mich durch Euer Spiel weidlich vergnügt habt, so gebe ich Euch diese zum Geschenk. Hebt sie nur gut auf, sie wird Euch mit der Zeit schon guttun.«

Dieser bedankte sich und zog seines Weges. Rübezahl aber ging nach Quarklissa und von da dem Gebirge zu. Als aber der Leiermann am folgenden Morgen aus der Herberge aufbrach und seine Tasche schwerer fühlte als gestern, hineingriff und seine Wurzel herausbrachte, da war sie auch zu Gold geworden. Nun wünschte er erst recht, dem gütigen Bergherrn noch länger zu dienen, und hätte sich nichts daraus gemacht, wenn es auch gleich über Schwerta direkt nach Japan gegangen wäre.

Die Kirmesgäste von Rothenwasser aber, so besonders geladene Bürger aus Görlitz und Lauban waren, gedachten noch lange der fröhlichen Kirchweih und des lustigen Handelsmannes aus Japan. Die Leute des Orts sagen, dass seit dieser Zeit nimmer eine solche Kirmes wieder in Rolhenwasser gewesen war.

Merke: Es ist jedem ein Spaß erlaubt, wenn es nicht über Maß und Ziel geht.

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