<<< zurück | Volkssagen aus dem Riesengebirge | weiter >>>

Wie Rübezahl einen freigebigen Fuhrmann belohnt

Obwohl Rübezahl etwas anderes war als gewöhnliche Menschen, so hatte er doch auch seine Schrullen und es manchmal dick in seiner Einsamkeit. Also strich er in dem Gebirge nicht nur, sondern auch außerhalb desselben manchmal umher. Auf solchem Streichen – er wusste selber nicht, wo er hin wollte, – geriet er auf die Friedberger Straße und zog ruhig darauf hin, denn, sagte er, wer ein Abenteuer sucht, der findet es auch, er müsste denn sehr dumm sein. Wie er bei Alt-Chemnitz hinkam – es war gerade hinterm Läusepelz – sah er vor sich eine Kutsche, die sich gar jämmerlich in dem elenden Weg hinschleppte, und die der Kutscher bald rechts, bald links halten musste, dass sie nur nicht umfiel. Daneben schritt der Herr derselben einher, und fing, als ihn Rübezahl erreicht hatte, ein Gespräch mit diesem an, denn er war gar ein leutseliger und niederträchtiger Herr, so gern einen Spaß machte. Da Rübezahl nicht faul war in scherzhafter Antwort, so waren beide bald in einem lustigen Gespräch. Dabei kamen sie dem Wagen bald ein gutes Stück voraus, und als sie Alt-Chemnitz erreichten, holten sie einen Wagen ein, der gar hoch und breit gepackt war. Der Reisende fragte den Fuhrmann nach dem Woher und Wohin, und was er geladen habe.

Der sagte: »Felle.« Und die habe er im Warmbad geladen.

»Felle?«, fragte der Fremde, »nun das ist ein guter Handel und lässt sich wohl damit etwas machen. Aber, guter Freund«, fuhr er fort, »da könnt Ihr mir wohl auch sagen, ob das meine mit darunter ist …« Er war dort im Bad gewesen. »… Was sie mir vor einem Jahr da über die Ohren gezogen hatten.«

Der Fuhrmann lachte, und das wisse er nicht, sie wären vom Rindvieh.

Da machte der Herr eine kuriose Miene und kratzte sich hinter den Ohren. »Was das anbelangt«, sagte er, »so wüsste man nicht, und es habe jeder seine schwachen Stunden.«

»Und wie soll ich denn das unter den anderen herausfinden?«, meinte lachend der Fuhrmann.

Der Herr machte aber wieder ein kurioses Gesicht und lächelte. Das sei gerade nicht schwer, denn wie er sähe, wären die Felle, die er führe, roh, das seine aber sei gegerbt und hätten schon die lieben Eltern, die rechtschaffenen Schullehrer, und die bösen Rangen von Schuljungen, ja fast die ganze löbliche Bürgerschaft darauf rumgewalkt, und müsse bei so einer gründlichen Behandlung auch aus dem schlechtesten Fell eine gute Haut werden.

»Die scheint ihr mir auch wirklich zu sein, Herr«, erwiderte Rübezahl, »ich wünschte, dass wir öfter zusammenkämen, es würde mir eine große Freude sein.«

Der Fuhrmann war ganz besonders erfreut über die Leutseligkeit und Scherzhaftigkeit der Herren, und da es damals in Birngrätz kein Wirtshaus gab, so brachte er seinen Kober hervor, nahm eine Flasche mit gutem Branntwein und zwei gebratenen Hühnern heraus und lud mit großer Herzlichkeit und Dringlichkeit die Reisenden ein, zuzulangen. Der Weg hatte diese hungrig gemacht, und sie nahmen das Anerbieten des guten Mannes mit Freuden an. »Das sollt Ihr mir nicht umsonst getan haben, Mann«, sagte Rübezahl, »wenn ich es Euch auch nicht auf der Stelle vergelten kann.«

Der Mann aber meinte, darum geschähe es nicht, und es freue ihn nur, dass er so liebe Herren getroffen habe.

In Friedberg schieden die Reisenden voneinander, denn der vornehme Herr, so Apelt hieß und ein Menschenfreund war, der war hier zu Hause, und Rübezahl sagte, dass er zum Gebirge müsse, da habe er zu tun. Der Fuhrmann aber, dem der Herr Apelt Im goldnen Löwen – der Wirt hieß damals Wagler – noch ein gutes Frühstück vorsetzen lassen hatte, fuhr seines Weges weiter, denn er wollte in die Sitte (Zittau). Wie er nun in Göppersdorf hinauffuhr, – es war nicht weit von der roten Nase – da machte es auf einmal Knack und die Leitern des Wagens gingen auseinander. Da stand der arme Fuhrmann, kratzte sich hinter den Ohren und verwünschte sein Geschick, während auf der einen Seite die Felle auf die Straße herunterfielen.

»Lasst es nur gut sein«, sprach auf einmal eine Stimme auf der anderen Seite des Wagens, »wer weiß, wozu es gut ist.« Und lachte dazu. »Ladet nur vollends ab, es wird’s wohl wieder einbringen.«

Da erkannte der Fuhrmann den lustigen Reisegefährten und fing über sein Unglück zu klagen an. Aber während er wieder einen Blick auf die eine Seite seines Wagens warf, war indes der Reisegefährte auf der anderen verschwunden.

Unterdessen hatte der Schulz, der gerade in seinem Garten Birnen schüttelte – es waren Bunkerdinen (bonne chretienne) – das Unglück des Mannes bemerkt, ließ einen Fosigwagen (eine Art Packwagen) herausschieben, und so luden sie denn die Felle von einem Wagen auf den anderen. Wie sie nun aber bald auf dem Boden sind und der Fuhrmann eben einen Armvoll Felle hinüberwarf, da sah er etwas Zusammengerolltes liegen. Wie er es näher beschaute, war es ein Fell, aber ein gegerbtes.

»Gott steh mir bei«, sagte er, »das ist ja so schwer, dass man es nicht anheben kann.«

Er rief den Knecht. Sie rollten nun das Fell auseinander und da lag ein weißer blitzender Klumpen – es war ein Klumpen Silber – in der Mitte, und dabei lag ein Zettel, darauf stand: Brauch es mit Verstand in reiner Hand.

Das hatte denn der ehrliche Mann auch getan, denn er hatte wohl gemerkt, wer der Geber gewesen war, und sich darum auch gescheut, das Geschenkte unrecht anzuwenden. Er hatte darauf das Fuhrwerk liegen lassen, sich ein großes Vorwerk gekauft da unten bei Liegnitz. Das heißt heutzutage die sieben Jungfern, wer es kennt, und liegt in der Jauerer Vorstadt. Seine Kinder hatte er in allem Guten erziehen lassen. Der günstige Leser macht es gewiss auch so, wenn ihm einmal so was passiert.

Merke: Nichts gibt schneller Freunde als Gefälligkeit unterwegs.

Quelle: