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Wer und wie Rübezahl eigentlich gewesen war

Von Rübezahl wird erzählt, dass er eines Schusters Sohn aus Liegnitz gewesen war, den seine Mutter, als er noch in der Wiege gelegen hatte, verwünscht wurde. Als er groß geworden war, sei er ins Gebirge auf Abenteuer gegangen. Andere dagegen sagen, er sei ein vornehmer Herr aus Welschland gewesen, mit Namen Ronzeval, der hierher verbannt worden sei. Noch andere meinen, er sei ein Berggeist von Haus aus, der eigentlich im Inneren der Berge hauste. Nun, er mag gewesen sein, wer er will, er erschien den Menschen auf gar vielerlei Art. Meistens sah man ihn als Wurzelmann oder Bauer, oft als Jäger mit einem Rohr in der Hand, seltener in allerhand anderen Gestalten, ja bisweilen in der eines Tieres usw.

Woran man jedoch den Rübezahl immer erkennen konnte, das war der Pferdefuß, und darum trug er auch meist einen langen Mantel. Denn er galt bei den Leuten einmal für einen Teufel, wenn er auch gleich weder ein böser noch ein dummer Teufel war, und hatte er den Pferdefuß nur ungefähr so, wie damals oft die klügsten und weisesten Männer an den Höfen der Fürsten eine Schellenkappe und eine Hanswurstkappe trugen. Und damals, wo er sein Stück vorzüglich spielte, in der älteren Zeit, da ging der Teufel sogar noch als Teufel umher und konnte sich da doch jeder gleich vor ihm in acht nehmen. So wie man damals gleich wusste, wen man vor sich hatte an der Tracht, und ging ein Müller und ein Bäcker hellblau, ein Fleischer und ein Doktor, auch ein Scharfrichter, rot, ein Gerber braun, ein Schulmeister und ein Pfarrherr schwarz, ingleichen der Teufel, ein Kläger und ein Gärtner grün, ein Landsknecht gelb, ein Sachwalter aber weiß, weil er die Leute meist bis aufs Hemd auszog, und wenn es gut ging, das Hemd noch selbst usw. Der Teufel ging also damals noch als Teufel mit einem Pferdefuß einher, ist seitdem aber gescheiter geworden. Denn jetzt geht er auch einher nach der Mode, und bald hielt er einen Fürsten oder Grafen, bald ein schönes Mägdlein oder ein schlichtes Bäuerlein, bald einen hoffärtigen Kriegsknecht oder einen gefühlvollen Schauspieler und Musikus oder einen frommen Jesuiten und Mucker und dergleichen mehr, und ist also mit der Zeit gegangen.

Nun, in diese ältere Zeit fällt das Meiste von dem, was man sich von Rübezahl erzählt, und woraus hervorgeht, dass er eben kein böser Teufel, sondern ein gutmütiger, schalkhafter und nur bisweilen launischer Berggeist war, der nur im äußersten Notfall eine Teufelsgestalt annahm, um andere zu schrecken oder zu strafen. Ehrliche Leute hatte er gern, aber Narren und schlechte Leute konnte er nicht leiden. Stets wurde er zornig, wenn man ihn Rübezahl nannte, und wer in sein Gehege kam, das er sich vorbehalten hatte, dem ging es schlecht. Fluchen, Lügen und Fleischeslust konnte er gleich gar nicht leiden. Bis zum Schlesischen Krieg ging es mit ihm noch soso. Seit aber das Gebirge teils preußisch ist, treibt er es weniger – die Leute sprechen von wegen des Gewerbescheines – und manche sagen gar, er habe sich zur Ruhe gesetzt. Manchmal kommt er aber doch noch, wenn auch selten, wie der Leser aus folgenden Erzählungen ersehen wird, und es ist nur gut, wenn jemand handeln kann, wo andere nicht reden dürfen, und einem Geist kann man doch nicht an den Kragen.

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