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Die Hufeisen an der Kirchthür
„Graf Ernst von Klettenberg1) ritt einst, an einem Sonntagsmorgen, zu einem großen Gelag, nach Elrich. Viel waren der geladenen Ritter, die hier um den Ehrenpreis – tranken. Der ausgesetzte Dank war eine goldne Kette.
Viele Stunden tranken die geprüften Ritter, bis sich der Sieg mehr entschied, und hier einer, dort einer erlag unter der Last der ungeheuern Humpen, und, unter der lauten Hohnlache der Zecher, als Schwächling niedergelegt wurde auf den Fußboden des Saals. Endlich blieben noch vier der sogenannten Edeln auf dem Kampfplatz. Doch drei von ihnen lehnten an der Wand, und triumpfirten mit lallender Zunge, daß die Willkommen den zitternden Händen nicht entsanken. Nur Ernst von Klettenberg stand noch auf freien Füßen, und ergriff siegprangend die goldne Kette, die auf dem Tisch lag, und hing sie sich um den Hals.2)
Um sich dem Volk als Sieger zu zeigen, wankte er aus dem Gemach, und befahl sein Roß vorzuführen. Vier Knappen hoben ihn herauf; und so ritt er, unter dem Gekreisch der hinzuströmenden Menge, durch das Städtlein, um nach Klettenberg heimzukehren. – Als er durch die Vorstadt ritt, hörte er in der Kirche, dem heiligen Nikolaus geweiht, die Vesper singen. Graf Ernst, in seinem Taumel, ritt durch das offenstehende Kirchthor ein, mitten durch die versammelte Gemeinde hindurch, bis vor den Altar. Der Gesang der Andacht ging in starres Anstaunen, und bald in wildes Geschrei über.
Aber nicht lange freute Graf Ernst sich seines Frevels. Denn, als das gespornte Roß jetzt die Stufen des Altars betrat, siehe! da fielen – o Wunder! – plötzlich alle vier Hufeisen ihm ab, und es sank nieder mit seinem Reuter.
Zum ewigen Andenken wurden diese vier Hufeisen an die Kirchthür angenagelt, wo sie Jahrhunderte lang angestaunt wurden, wegen ihrer Größe und der schauerlichen Sage. 3)“
Quelle: Johann Karl Christoph Nachtigal: Volcks-Sagen. Wilmans, Bremen 1800, Seite 115]]