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Römerstein und Nixei

Wie die Teufelsmauer am Nordrande des Harzes vom Teufel als Gränzscheide seines Reiches errichtet wurde, so an der Südseite der Römerstein. Von fruchtbaren Aeckern und Wiesen umgeben, auf einer Seite mit frischem Laubholze bekränzt, steigt der kegelförmige nackte Berg empor, auf dessen Rücken zackige Felsen wie Ruinen einer Burg sich heben. Nach der Volkssage wohnten sonst gewaltige Riesen hier; drüben im blanken Alabaster des Sachsensteins gegenüber mächtige Zwerge mit ihrem Könige; vor diesen kleinen Zwergen schwebten die talpigen Riesen in solcher Furcht, daß sie diese Felsburg aufthürmten, um vor dem Zwergkönige drüben sicher zu sein. Sein Haupthaar und Bart war weiß, wie das Gestein hier umher; vom Scheitel war ihm eine helle Krystallkrone emporgeschossen. Einst durchschweifte ein Jüngling, Romar geheißen, den Wald und fand unter einem Baume schlafend die Ruma, eine wunderschöne Jungfrau; die Herzen fanden sich, aber Beide erschraken, als sie entdeckten, daß er ein Hünenkind, sie die Tochter des Zwergkönigs war, da sie also zwei gegenseitig feindlichen Mächten angehörten; jedoch die Liebe verscheuchte jegliches Bedenken, jahrelang lebten Beide in glücklicher aber heimlicher Ehe. Da überraschte sie einst bei ihrer Umarmung der Zwergkönig; zornentbrannt schleppte er seine Tochter in die tiefsten Berghöhlen, zerschmetterte sie an dem zackigen Felsen, den Jüngling aber packten zahllose Zwergscharen und trieben ihn blutend von dannen. Die unglückliche Ruma, von boshaften Kobolden bewacht, versuchte auf jede Art ihre Rettung; sie verwandelte sich in eine Wassernixe und suchte als Quelle einen Ausweg, um an das Tageslicht und zu ihrem Gatten zu kommen; aber immer drängte sie der grausame Vater in die Erdtiefe zurück. Endlich nach vielen Jahren gelang es ihr, als vollendeter Strom hervorzubrechen. Die Höhle, worin die trauernde Frau so lange eingekerkert geweint hatte, heißt der Garten des Weinens, Weingartenloch, und in ihr bezeichnen tiefe Erdfälle und das schauerliche Rauschen unterirdischer Bäche den Weg der Nixe, bis an der Gränze des Gypsfelsens ein Strom hervorbricht, die Rume, zum Andenken der Verbannten also geheißen; die Stelle, wo Romar die Nixe Ruma zuerst sah, heißt jetzt noch Nixei, und der Fels, auf welchem Romar einsam sein Leben vertrauern mußte, wurde Römerstein genannt. – Doch nicht ganz und gar und immer mußten die beiden Gatten einander meiden. Denn der Erdgeist oder Zwergkönig war bei der Wiederkehr gewisser Zusammenstellungen der Gestirne in gänzlicher Ohnmacht gefesselt, und dann erschien plötzlich, in dem alten Bette, der Spiegel des Nixteiches in der Nähe des Römersteins, verschwand jedoch ebenso schnell mit der Rückkehr des Zwergkönigs. – Auf dem Römerstein soll auch eine Jungfer zu sehen sein, die sich im Sonnenschein das Haar kämmt, und dabei fallen ihr Goldperlen vom Kopfe. Besonders ein Schweinhirt hat sie oft so hinter einem Dornbusche sitzen sehen, da wo das untergegangene Dorf Lüttchenrode gestanden hat.

Quellen: