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Das goldene Schilf

  Senftenberg

In der neuen Elster bei Senftenberg hielt sich früher ein Wassermann auf, welcher sich stets des Mittags zwischen elf und zwölf Uhr sehen liess. So erblickte einmal ein Mann aus Niemitsch, welcher nach Senftenberg ging, als er kurz nach elf Uhr die Brücke betrat, welche über die Elster führt, mitten im Wasser einen Mann, aber zu seinem Schrecken hatte dieser keinen Kopf. Der Mann im Wasser gab ihm mit dem Finger ein Zeichen, er solle sich nicht vom Flecke rühren. Darauf pflückte der Wassermann Schilf, legte es auf eine Bank, welche sich im Wasser befand, setzte sich darauf und liess sich dann gemächlich von der Sonne bescheinen.

Der Bauer aus Niemitsch blieb eine Zeit lang ruhig stehen, endlich wurde es ihm aber doch zu lange und er versuchte, seinen Weg weiter fortzusetzen. Kaum aber hatte er einen Fuss vorgesetzt, so fühlte er in demselben einen heftigen Schmerz. Nun merkte er wohl, er werde nicht von der Stelle gehen können: überdiess hob der Wassermann drohend seinen Finger und trat das Wasser zornig mit den Füssen. Endlich schlug es in Senftenberg zwölf: in demselben Augenblicke sprang der Wassermann von der Bank und verschwand in der Tiefe des Wassers. Zu seinem Erstaunen sah jetzt der Bauer, dass sich das Schilf auf der Bank in Gold verwandelt hatte. Dessen bemächtigte er sich, kam damit glücklich nach Senftenberg und wurde so ein reicher Mann.

Quelle: Edmund Veckenstedt: Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche. Leuschner & Lubensky, Graz 1880