Manes und die Hexen

  Wilhelm Anders: Marmagen vor 70 Jahren. In: Eifelvereinsblatt Oktober 1911, Seite 215/216

Vor langen Jahren kam ich eines Abends so um den Märtesdag (Martinustag, 11. November) spät von Wahlen. Ich hatte Pittesch Rauchert de Fauch gelapp (Gerät zur Reinigung des Getreides geflickt) und ging den Wahlener Berg hinunter. Es war düster wie in einer Kuh, und ich hatte große Mühe, den Weg zu finden.

Als ich bis ungefähr in die Hälfte des Berges mehr gerutscht als gegangen war, sah ich im Tal des Feschbachs (Fischbach, westlicher Zufluß zum Gillesbach) einen hell erleuchteten Platz, auf welchem sich seltsame Gestalten bewegten. Ich tastete mich langsam bis unten hinter eine Hecke, von wo aus ich die Hexen, die hier ihr Tanzgelage abhielten, unbemerkt, wie ich glaubte, beobachten konnte.

Was sah ich! Die scheußlichsten Fratzen sprangen um ein loderndes Feuer und hielten nur inne, um sich an einem Getränke zu laben, das sie aber nicht aus einem gewöhnlichen Trinkgefäß tranken, sondern aus einem Köhkuet (Kuhhuf). Sie warfen giftige Blicke nach meinem Standorte, und mir richteten sich die Haare auf. In meiner Angst nahm ich meine Zuflucht zu dem Spruch: „Alle guten Geister loben Gott!“ - und in demselben Augenblick war der Spuk verschwunden, und um mich war wieder finstere Nacht.

Wie ich nach Haus gekommen bin, weiß ich nicht. Als ich zur Stubentür hereinkam, muss mir der Schrecken noch deutlich im Gesicht gestanden haben; denn als ich mich erschöpft auf einen Stuhl fallen ließ, sagte meine 'Kättreng, Jott trües' (Katharina, Gott tröste sie): „Mein Gott, Manes Wellem, was ist dir begegnet?“

Noch heute fährt mir der Schrecken in die Glieder, wenn ich an jene Stunde denke.

Quelle: www.sophie-lange.de