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Die Ludki im Luschki-Berge

  Graustein

Auf dem Luschki-Berge bei Graustein haben einst die Luschki ihr Wesen getrieben. In der Zeit, als sie noch auf dem Berge und in demselben hausten, hatte einmal ein Bauer sein ganzes Vermögen verloren, aber ohne sein Verschulden. Der Bauer hatte gehört, dass in den Trümmern der Burg, welche einst der Wendenkönig auf dem Berge bewohnt hat, dessen Schätze zu heben seien. In seiner Noth machte er sich auf den Weg, danach zu graben. Zunächst suchte er eine Stelle aus, von welcher er glaubte, dass der Schatz dort liege. Da fiel ihm plötzlich eine eiserne Thür in die Augen; er öffnete dieselbe und gelangte in einen langen, finstern Gang. Nachdem er ungefähr eine halbe Stunde weit gegangen war, erhellte sich derselbe. Da sah er in einiger Entfernung wunderbare Wesen, welche zum Theil allerlei Beschäftigungen oblagen, zum Theil Musik machten und tanzten. Als er von den Luschkis erblickt ward, trat einer von ihnen, welcher eine grosse Keule trug, auf ihn zu und fragte, was er wolle. Der Bauer fasste sich ein Herz und erzählte ihm sein Unglück. Als er geendet hatte, sprach der Luschk zu ihm: „Ich weiss, dass Du die Wahrheit gesprochen hast; Dir soll geholfen werden: jeden Mittag wird ein Drache in Deiner Stube erscheinen, den musst Du mit Hirse füttern, dann kannst Du ihm Deine Wünsche sagen, er wird sie Dir erfüllen. Versäumst Du aber, ihm die Hirse vorzusetzen, so wird er nie wieder zu Dir kommen; dann hüte Dich auch, diesen Berg wieder zu betreten, es würde Deiner ein schreckliches Ende harren.“

Sobald der Luschk gesprochen hatte, erhob sich ein furchtbares Sausen und Brausen, dass dem Bauer die Sinne vergingen. Als er nach einiger Zeit zu sich kam, befand er sich in seiner Stube. Am nächsten Mittag aber um zwölf Uhr erschien wirklich der verheissene Drache. Der Bauer fütterte ihn. Darauf bat er um Geld; der Drache gab es ihm. Von da an kam der Drache jeden Mittag, ass bei dem Bauer und brachte ihm Geld. Das dauerte so eine ganze Zeit hindurch, bis der Bauer glaubte, er habe Geld genug. Darauf versäumte er, dem Drachen Hirse vorzusetzen. Fortan erschien der Drache nicht mehr.

Der Bauer hielt sich nun für so reich, dass er sich allen Ausschweifungen, welche er für Geld haben konnte, hingab, in der Hoffnung, sein Geld werde nicht alle werden. Allein eines Tages besass er doch nichts mehr: der letzte Heller war in der Schenke vertrunken. In seinem Rausche wankte der Bauer nach Hause: dabei muss er vom Wege ab und dem Berge nahe gekommen sein, denn es weiss zwar Niemand was geschehen ist, aber am andern Morgen hat man den Leichnam des Bauers schrecklich zerfleischt am Luschki-Berge gefunden.

Quelle: Edmund Veckenstedt: Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche. Leuschner & Lubensky, Graz 1880