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Von Herrn Stoltenbarg

(Um 1740.)

  Nach mündlicher Ueberlieferung einer älteren Anekdote. 

Vor etwa hundert Jahren lebten in den Vierlanden Herr Stoltenbarg, ein großer reicher Bauer. Ein reicher Vierlander Bauer, das ist keiner von denen, die nach Hamburg kommen, Gemüse und Obst zu verkaufen, und daheim meistens nur Hänslinge und Höker sind, – sondern es ist ein Mann, der Haus, Hof und Ackergut zu Eigen hat, und darauf lebt wie ein Ritterguts-Besitzer, nur zuweilen noch bequemer und solider. Er trägt zwar auch die Vierlander Tracht, vom feinsten Tuch mit großen Silberknöpfen daran, – aber wenn er einmal außer Landes geht so kann er so vornehm sich kleiden und benehmen, daß man ihn für einen incognito reisenden Prinzen halten möchte. Etwas stolz sind diese reichen Vierlander Bauern wohl, sie sind aber auch nichts Geringes, von uralter Niederländischer Herkunft, und haben lange Stammbäume ihrer freien Vorfahren aufzuweisen. Grade so einer war Herr Stoltenbarg, der auf seinem Gehöfte saß wie ein Pascha, und niemals nach Hamburg kam, weil er hier nicht genugsam standesgemäß behandelt wurde. Mußte er aufs Amt nach Bergedorf, so kam er mit Vieren gefahren, wie der Herr Amtsverwalter nur zu fahren pflegte, wenn’s galt. Er sah eigentlich alle Menschen über die Achsel an, nur mit dem Herrn Pastor machte er eine Ausnahme, weil dieser der Stellvertreter Gottes auf Erden war, und den mußte er doch für etwas Besseres passiren lassen, als für einen reichen Vierlander Bauer.

Kommt einmal der Herr Pastor seinem Gehöfte vorbei, als er grade im Thore steht und aufs Feld schaut. Spricht der Herr Pastor: „Guten Morgen, Herr Stoltenbarg, was treiben Sie?“ Herr Stoltenbarg antwortet: „Ick do nix aß mediteren.“ Worauf der Herr Pastor fragt. „worüber meditiren Sie denn so eifrig, Herr Stoltenbarg?“ und dieser antwortet: „över dat, wat mi hüt Nacht drömt hätt.“ Als nun der Herr Pastor theinehmend nach dem Inhalte dieses gewiß denkwürdigen Traumes sich erkundigt, läßt Herr Stoltenbarg sich herbei, ihm Folgendes zu erzählen:

„Mi hätt drömt, dat ick storben wär, und wär graben mit söss Peer, und de Amtsverwalter und de wollweisen Herren Visitatoren van Lübeck und Hamborg kämen in Staatswagen achter min Liek to folgen. Na dat wär good! Als wie ick nu in’n Himmel käm’, sät da uns’ Herrgott grootmächtig up sin’ golden Thron, und uns’ Herr Christus neffen em, up’n hogen Stohl. Und als ick da ankäm, kiek uns’ Herrgott nipp to, und frög Sanct Peter oder sünst so’n Apostel: „bin ick recht? is dat nich Herr Stoltenbarg?“ Und de Apostel sprök feierlich: „Allerdings, es ist Herr Stoltenbarg aus Vierlanden selbst, welcher dort her kommt!“ Und als wie ick nu noch nöger käm, da stött uns’ Herrgott den Herrn Christus in de Siet, und röp em ganz hastig to: „Kumm, sta gau upp, groot’ Jung’, und laat unsen Herrn Stoltenbarg sitten!“

Quelle: Otto Beneke: Hamburgische Geschichten und Sagen. Hamburg: Perthes-Besser & Mauke, 1854