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Glocke läutet von selbst

  Erasm. Francisci höll. Proteus. 1035. 1036. 1039.

In einer berühmten Reichsstadt hat im Jahr 1686 am 27sten März die sogenannte Markt-Glocke von sich selbst drei Schläge gethan, worauf bald hernach ein Herr des Raths, welcher zugleich auch Marktherr war, gestorben.

In einem Hause fing sechs oder sieben Wochen vor dem Tode des Hausherrn eine überaus helle Glocke an zu läuten und zwar zu zweien verschiedenen Malen. Da der Hausherr damals noch frisch und gesund, seine Ehefrau aber bettlägrig war, so verbot er dem Gesinde, ihr etwas davon zu sagen, besorgend, sie mögte erschrecken, von schwermüthiger Einbildung noch kränker werden und gar davon sterben. Aber diese Anzeigung hatte ihn selbst gemeint, denn er kam ins Grab, seine Frau aber erholte sich wieder zu völliger Gesundheit.

Siebzehn Wochen nachher, als sie ihres seeligen Eheherrn Kleider und Mäntel reinigt und ausbürstet, fängt vor ihren Augen und Ohren die Tennen-Glocke an sich zu schwingen und ihren gewöhnlichen Klang zu geben. Acht Tage hernach erkrankt ihr ältester Sohn und stirbt in wenig Tagen. Als diese Wittwe sich wieder verheirathete und mit ihrem zweiten Mann etliche Kinder zeugte, sind diese, wenige Wochen nach der Geburt, gleich den Märzblumen verwelkt und begraben. Da dann jedesmal jene Glocke dreimal nach einander stark angezogen wurde, obgleich das Zimmer, darin sie gehangen, versperrt war, so daß niemand den Drath erreichen konnte.

Einige glauben, dieses Läuten (welches oft nicht von den Kranken und Sterblägrigen, sondern nur von andern gehört wird) geschehe von bösen Geistern, andere dagegen: von guten Engeln. Wiederum andere sagen, es komme von dem Schutz-Geist, welcher den Menschen warnen und erinnern wollte, daß er sich zu seinem heraneilenden Ende bereite. 1)

Quellen:


1)
Anmerkung Sagenwiki: Vermutlich handelt es sich beim Ratsherrn um den am 11. Mai (jul.)/ 21. Mai 1686(greg.) in Hamburg verstorbenen Otto von Guericke.