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Das taube Korn

  Holländ. gemeine Sage. Grabner Reise in die Niederlande. Gotha 1792. S. 58-60
  Winsheim fries. Chronik. Bl. 147. 148

Zu Stavoren in Friesland waren die Einwohner durch ihren Reichthum stolz und übermüthig geworden, daß sie Hausflur und Thüren mit Gold beschlagen ließen, den ärmeren Städten der Nachbarschaft zum Trotz. Von diesen wurden sie daher nicht anders genannt, als: „die verwöhnten Kinder von Stavoren.“

Unter ihnen war besonders eine alte geitzhälsige Witwe, die trug einem Danzigfahrer auf, das beste was er laden könne, für ihre Rechnung mitzubringen. Der Schiffer wußte nichts bessers, als er nahm einige tausend Lasten schönes polnisch Getraid, denn zur Zeit der Abreise hatte die Frucht gar hoch gestanden in Friesland.

Unterwegs aber begegnete ihm nichts wie Sturm und Unwetter und nöthigten ihn zu Bornholm überwintern, dergestalt daß wie er Frühjahrs endlich daheim anlangte, das Korn gänzlich im Preise gefallen war und die Witwe zornig die sämmtliche Ladung vor der Stadt in die See werfen ließ.

Was geschah? An derselben Stelle that sich, seit der Zeit eine mächtige Sandbank empor, geheißen der Frauensand, drauf nichts als taubes Korn (Wunderkorn, Dünenhelm, weil es die Dünen wider die See helmt [schützt], arunda arenaria) wuchs und die Sandbank lag vor dem Hafen, den sie sperrte, und der ganze Hafen ging zu Grunde. So wuchs an der Sünde der alten Frau die Buße für die ganze Stadt auf.

Quellen: