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Die heilige Maria von Rosenthal

  S. Haupt. Bd. II. S. 180 fgg.

Als Karl der Große mit seinem Heere die Lausitz durchzog, um die heidnischen Wenden zu bekehren, kam er auch in die Gegend an den Quellen der Elster. Da wo jetzt Rosenthal liegt, schlug er ein festes Lager, dessen Mauerspuren man noch jetzt sieht, auf, um einige Zeit daselbst zu verweilen. Er hatte aber sein Heer unter den unmittelbaren Schutz der Jungfrau Maria gestellt und die h. Jungfrau verließ das Heer nicht, sondern umwandelte das Lager täglich, angethan mit einem weißen Gewande, die Krieger aber fielen vor ihr nieder und beteten sie an.

Sie hatten aber auch ein Heiligenbild der h. Jungfrau bei sich und als sie aus der Gegend fortzogen, da ließen sie das Bild zurück und verbargen es in dem Walde, den die h. Jungfrau durch ihre Gegenwart geheiligt hatte.

Seitdem sah man aber noch oft eine weiße Jungfrau den Lagerplatz umwandeln. Nach vielen Jahren kam aber ein frommer Ritter, Namens Lucianus von Sernan in diese Gegend, der sah auf der Jagd einmal die weiße Frau von ferne und ward von ihrem Liebreiz ganz bezaubert. Er spornte sein Roß um sie zu erreichen, aber sobald er sie erreicht zu haben vermeinte, war die Erscheinung wieder in weite Ferne entrückt, bis sie endlich an einer Linde plötzlich verschwand. Aber aus einer Höhlung des Baumes, umrahmt von grünen Blättern und duftenden Blüthen, leuchtete dem Ritter das Bild der Gottesmutter entgegen: dasselbe hatte aber eine dunkelbraune Gesichtsfarbe und ein Gewand mit eingewebten Lilien. Dies Bild that nun unzählige Wunder an den zahlreichen Wallfahrern, die nach ihm zogen und ihm zu Ehren erbaute man daneben die Kirche von Rosenthal, die noch jetzt zum Kloster Marienstern gehört.

Quelle: Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Band 2. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 291