<<< zurück | Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen - Band 2 | weiter >>>

Das Menschengerippe in einem Pfeiler der alten Michaeliskirche zu Adorf

  S. Krenkel, Blicke in die Vergangenheit der Stadt Adorf, S. 27.

Das innere Gewölbe der alten 1511 aufgebauten Michaeliskirche zu Adorf ruhte auf einem einzigen Pfeiler, der wie der Kelch einer Tulpe sich nach oben hin entfaltete.

Eine mündliche Ueberlieferung berichtet, daß nach dem Brande von 1768 in diesem Pfeiler, welcher hohl war, ein Menschengerippe gefunden worden sei, das man für das des kühnen, aber verzagten Baumeisters gehalten habe. Denn als man allgemein nach Vollendung des Kirchengewölbes einen Zusammensturz befürchtete, traute selbst der Baumeister nicht und verschwand.

Eine alte Nachricht sagt: „Und sol solch gewelb nicht mehr alß 100 fl. der Meister zu bauen gehabt haben, weil er nicht verharret biß die Röstung dieses gewelbes ist abgenummen worden, hat besorgt, es möchte in Hauffen sinken, ist alßo flüchtig worden und sol noch wieder kommen.“1)

Quelle: Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Band 2. Schönfeld, Dresden 1874, Seite 53


1)
Jedenfalls bezieht sich dieser Fund auf die alte Sitte, daß man ehedem in Gebäude, um ihnen Festigkeit zu verleihen, lebendige Menschen, namentlich Kinder einmauerte, wie dies z. B. in Harburg der Fall war, (s. mein Sagenbuch d. Preuß. Staates, Bd. II. S. 875. Nork, Sitten und Gebräuche der Deutschen, S. 383 fgg. Daumer, Geheimnisse des christl. Alterth. Bd. I. S. 138).