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Warum die Fürsten Reuß den einzigen Taufnamen Heinrich führen

  Peccenstein a. a. O. S. 265. sq.

Der Grund, warum die Familie der Reusse nur den einen Taufnamen Heinrich führt und zum Unterschiede der einzelnen Personen blos die Zunamen: der ältere, mittlere und jüngere nach ihres Leibes Länge und Gestalt oder ihrer Zahl beifügt, ist folgender.

Es hat einst ein Herr von Plauen um ritterlichen Ruhmes Willen sich über das Meer in ferne Lande begeben und ist in Syrien in einer Schlacht gegen die Saracenen angeblich erschlagen worden. Da ist nach etlichen Jahren, da er fast vergessen, aber auch von seinem Tode noch keine gewisse Nachricht gekommen war, einer, so ihm an Gestalt, Rede und Geberden allerdings ähnlich gewesen, an den Tag gekommen, hat sich für ihn ausgegeben und durch allerhand Nachrichten und Wissenschaft den Verwandten und Freunden sich also dargethan, daß Jedermann glauben können, er sei der rechte und verlorengeglaubte Herr, ist ihm auch sein Antheil an der Herrschaft eingehändigt worden, worauf er sich verheirathet und Kinder gezeugt hat.

Als aber endlich der Betrug durch Schickung Gottes an dem Orte, wo der rechte Herr erlegt und begraben war, ausgekundschaftet und der Betrüger zur gebührenden Strafe gezogen worden, da haben die Herrn Geblütsverwandten sich unter einander verglichen, künftig nur einen einzigen Taufnamen zu gebrauchen, und ist dieser Brauch auch bis dato geblieben.

Quelle: Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Band 1. Schönfeld, Dresden 1874