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Das Erdmännchen und der Schafhirt

  Prätorius, Weltbeschreibung, Magdeb. 1665. Bd. I. S. 133.

Im J. 1664 hat sich in einem Dorfe nahe bei Dresden Folgendes zugetragen.

Es hat ein Schäferjunge im Felde bei seiner Heerde gesessen und von ungefähr gesehen, wie ein mäßiggroßer Stein in seiner Nähe sich von selbst einige Male in die Höhe zu heben schien. Dies hat ihn gewundert, er hat sich den Stein angesehen und ihn endlich von seinem Platze weggehoben. Siehe da hüpft ein kleines Kerlchen (ein Erdmännchen) aus der Erde hervor und stellt sich vor ihm hin und spricht, er sei bis diesen Augenblick dahin gebannt gewesen, und begehre nunmehr von ihm Arbeit, er müsse ihm etwas zu thun geben.

„Nun wohl“, hat der Junge bestürzt geantwortet, „hilf mir meine Schafe hüten“. Dies hat das Erdmännchen auch flugs gethan, am Abend aber, wo der Junge sein Vieh hat ins Dorf treiben wollen, da hat das Gespenst mitgewollt. Der Junge hat sich aber entschuldigt und also gesprochen: „in mein Haus vermag ich Dich nicht mitzunehmen, denn ich habe einen Stiefvater und dazu noch andere Geschwister, mein Vater würde mich übel zudecken, wenn ich ihm noch einen andern mitbrächte und ihm das Haus kleiner würde“. „Ja so mußt Du mir anderswo Herberge schaffen, Du hast mich einmal angenommen“, hat das Männchen gesagt. „Gehe hin zu unserm Nachbar“, hat der Junge geantwortet, „denn der hat keine Kinder“.

Dies ist auch richtig geschehen, aber dergestalt, daß ihn der Nachbar nicht wieder hat loswerden können. 1)

Quelle: Johann Georg Theodor Grässe: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Band 1. Schönfeld, Dresden 1874


1)
Preusker, Blicke in die vaterl. Vorz. Bd. III. S. 177. Anm. VI, erzählt von einem Mann zu Strehla und einer Wiegenfrau bei Meißen, die beide von dergleichen zur Bewachung von Schätzen verbannten Erdmännchen um Hebung derselben gebeten worden wären, damit sie erlöst würden.