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Die Sage von der Lauenburg

  Poetisch behandelt von Tiedge bei Fr. Hoffmann, Die Burgen des 
  Harzes. Quedlinburg u. Leipzig 1846 in 8. S. 164. etc.

Nahe bei der Steklenburg befinden sich auf einem Berge die Ruinen der alten Lauenburg. Die Sage erzählt, daß man jedes Jahr einmal um Mitternacht im Innern derselben eine glänzende Lilie blühen sieht, die aus dem Boden plötzlich aufschießt, aber auch wieder spurlos verschwindet. Ihre Geschichte soll folgende sein. Es hatte dereinst ein wilder Raubritter hier seinen Sitz gehabt, vor dem namentlich keine Jungfrau in der Umgegend sicher war. So sah er einst auch eine arme Häuslertochter in dem am Fuße des Berges liegenden Dorfe und begehrte von ihr, sie solle ihm ins Schloß folgen. Dieselbe aber weigerte sich und ward von ihren Eltern, um sie seinen Verfolgungen zu entziehen, in ein benachbartes Kloster gebracht; allein auch dieses hielt ihn nicht ab, er überfiel das heilige Haus einmal in der Mitternacht, raubte das Mädchen und brachte sie auf die Lauenburg. Auch hier widerstand sie ihm lange, als sie aber zuletzt es nicht mehr vermochte, da richtete sie ein heißes Gebet zur heil. Jungfrau und flehte sie an, sie eher von der Welt zu nehmen, als den Lüsten des Ritters verfallen zu lassen. Ihre Bitte ward erhört, kaum war ihr Gebet verklungen, so schwebte ihre reine Seele als eine lichte Gestalt gen Himmel und nur der leblose Körper blieb zurück. An der Stelle aber, wo sich ihr Auge schloß, soll noch heute jährlich einmal jene wundervolle Blume im Schimmer blendender Lilienpracht um Mitternacht aufsprossen und die Umgegend mit ihrem Glanze erleuchten.

Quellen: