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Eulenspiegel gibt sich in Aschersleben für einen Kürschnergesellen aus

Als Eulenspiegel nach Aschersleben kam, hatte er kein Geld mehr. Er sah sich um, ob nicht jemand einen Gesellen nötig hätte. Es war niemand als ein Kürschner, der eines Gesellen bedurfte. Bei diesem meldete sich Eulenspiegel und gab sich für einen Kürschnergesellen aus.

Als er nun vom Meister in Arbeit genommen war und die Pelze mit zubereiten helfen sollte, war er den Geruch nicht gewohnt und sagte: »Pfui, pfui, du bist so weiß wie Kreide und riechst so übel wie Dreck.«

Der Kürschner sprach: »Riechst du das nicht gern?«

Eulenspiegel antwortete: »Das mag der Kuckuck gern riechen. Ein solcher widerlicher Geruch ist mir noch nie unter meine Nase gekommen.«

Worauf der Meister ihm zu verstehen gab, dass er wohl merke, dass er kein Kürschner­geselle wäre. Weil er aber notwendig einen Gesellen brauche und er doch nähen könne, so wolle er ihm zu nähen geben.

Der Kürschner sah ihm nun mit Verwunderung bis zum Abend zu. Da sie aber des Abends gegessen hatten, sprach er zu ihm: »Lieber Till, weil ich sehe, dass du kein rechter Kürschner bist, so kannst du wieder weitergehen. Der Geruch ist dir ja ohnehin zuwider. Hättest du nur vier Nächte dabei geschlafen, du würdest dich so wunderlich nicht ge­bärden.«

Eulenspiegel sagte: »Gut, lieber Meister, wollt Ihr mir erlauben, vier Nächte in den Fellen zu schlafen, so sollt Ihr sehen, dass es besser gehen wird.«

Der Kürschner glaubte seinen Worten und erlaubte es ihm. Der Kürschner ging dann mit seiner Frau zu Bett. Als sie fort waren, nahm Eulenspiegel alle bereiteten und unbereiteten Felle, trug sie in eine Kammer und schlief darin. Des Morgens, als der Meister aufstand und in seine Werkstätte kam, sah er, dass alle Felle fort waren, worüber er heftig erschrak, weil er glaubte, sie wären ihm gestohlen worden. Er lief nun geschwind in Eulenspiegels Kammer, um ihn davon zu benachrichtigen. Und siehe, da fand er Eulenspiegel mitten in den Fellen liegen.

Der Meister weckte ihn und fragte: »Warum hast du die nassen Felle aus der Werkstätte genommen und dich hinein­gelegt, und wie ich sehe, auch trockene Felle unter die nassen geworfen?«

Eulenspiegel stand auf und antwortete schnell: »Ihr habt es mir ja erlaubt.«

Der Kürschner warf die Felle wieder auseinander, was einen außerordentlichen Geruch verursachte, weil die nassen Felle die trockenen angesteckt hatten. Der Kürschner wurde zornig und schalt ihn tüchtig aus.

Aber Eulenspiegel antwortete: »Meister, zürnt doch nicht darüber. Ihr habt mir vier Nächte darin zu schlafen erlaubt. Nun habe ich erst eine Nacht darin geschlafen und es ist Euch schon zuwider? Was werdet Ihr aber dann sagen, wenn ich vier Nächte darin geschlafen habe?«

Der Kürschner antwortete: »Du Bösewicht hast mir so großen Schaden durch deine Schalkheit verursacht, dass ich dich erst dafür bezahlen will.« Er suchte einen Knüppel.

Während der Kürschner diesen suchte, sprang Eulenspiegel die Treppe hinunter, wo ihn die Frau und Magd aufhalten wollten, welche den Streit mit angehört hatten und deshalb zur Hilfe des Meisters herbeigeeilt waren.

Zu diesen sprach er mit Ängstlichkeit: »Haltet mich ja nicht auf, denn der Meister hat eben ein Bein gebrochen, ich muss geschwind den Wundarzt holen!«

Da ließen sie ihn laufen und eilten selbst die Treppe hinauf, um dem Meister beizustehen. Sie waren aber kaum die Hälfte der Stufen hinauf, als ihnen derselbe entgegenkam. Da sie alle zu sehr eilten, so stießen sie heftig zusammen. Die Frau und Magd fielen rücklings die Treppe hinunter und der Meister purzelte ihnen auch nach. Während dieses Vor­falls hatte Eulenspiegel Zeit, sich davonzumachen, was er auch tat und Aschersleben verließ. Die anderen drei waren aber froh, dass sie beim Fallen mit leichten Wunden davongekommen waren, und bekümmerten sich um Eulenspiegel nicht weiter.

Quelle: Till Eulenspiegel in 55 radierten Blättern von Johann Heinrich Ramberg, mit Text nach der Jahrmarkts-Ausgabe. Verlag C. B. Griesbach. Gera. 1871