<<< zurück | Tyll Eulenspiegel in fünf und fünfzig radirten Blättern | weiter >>>

Eulenspiegel wird zu Wintersheim Koch und Kutscher

Bei keinem Geschäft bewies Eulenspiegel einige Beharr­lichkeit, sondern unstet und flüchtig wie er selbst war, so war auch sein Tun und Handeln, wie wir aus den vorigen Histo­rien schon gesehen haben. Nachdem Eulenspiegel seine Brillen verkauft und das Geld verzehrt hatte, kam er nach langem Umherstreifen zu Wintersheim ganz zerrissen an. Da er sich nicht in die Stadt getraute, legte er sich vor dem Tor unter einem Baum auf einem grünen Rasenplatz hin. Bald darauf kam ein reicher Kaufmann mit seiner Frau vorbei.

Als dieser den Eulenspiegel liegen sah, sagte er zu ihm: »Was für ein Kerl bist du?« Eulenspiegel antwortete ganz trocken: »Ich bin ein Küchenjunge.«

Der Kaufmann sprach: »Wenn du ehrlich sein willst, so will ich dich in meine Dienste nehmen und dich wieder ordentlich kleiden, denn meine Frau klagt beständig, dass ihr das Kochen zu lästig sei.«

Eulenspiegel versprach alles aufs Wort zu tun.

Nun fragte ihn der Kaufmann: »Wie heißt du?«

Eulenspiegel antwortete: »Ich heiße Bartholomäus.«

Der Kaufmann erwiderte: »Der Name ist mir zu lang. Du sollst bei mir Toll heißen.«

Eulenspiegel sagte: »Das gilt mir gleich, wie man mich nennt.«

»Nun, wohlan«, sprach der Kaufmann, »du bist ein Knecht für mich. Gehe nun gleich mit mir in meinen Garten, damit wir etwas Kräuter mit nach Hause nehmen, um junge Hühner damit zurechtzumachen, denn ich habe am nächsten Sonntag Gäste eingeladen, die bei mir essen sollen.«

Eulenspiegel ging mit ihm in seinen Garten, und sie schnitten Rosmarin und dergleichen ab, um die Hühner nach wälscher Art damit zu füllen. Aber die Frau war mit dem lumpigen Eulenspiegel nicht zufrieden und fragte ihren Mann deswegen, was er denn mit dem Kerl machen wolle; ob er etwa befürchtete, dass das Brot schimmlig würde.

Der Kauf­mann antwortete: »Sei nur zufrieden, liebes Kind, er soll dein Knecht sein, er ist ein Koch.«

Die Frau gab sich zufrieden. Am anderen Tag nahm sie ihren neuen Koch mit zum Fleischscharren, um ein Stück Fleisch zu einem Braten zu holen, welchen sie am Sonntag essen wollten.

Nachdem nun die Einteilung des Bratens geschehen war, sagte der Kauf­mann: »Toll, du setzt morgen früh den Braten bald zu, und brätst ihn kühl und langsam ab, damit er nicht anbrennt.«

Eulenspiegel sprach: »Ja, mein Herr, ich will es machen, wie Ihr es mir befohlen habt.«

Am anderen Morgen stand Eulen­spiegel früh auf, setzte das Gemüse aufs Feuer, den Braten steckte er aber auf einen Spieß und legte ihn zwischen zwei Bierfässer in den Keller, damit er kühl läge. Die gebetenen Gäste fanden sich zum Mittagsessen ein. Alles wurde zu­bereitet, indessen an den Braten wurde noch nicht gedacht.

Als die Gäste die Suppe, das Gemüse und gebackene Klöße verzehrt hatten, bemerkte der Kaufmann, dass der Braten nicht nachfolgte, und fragte Eulenspiegel: »Wo hast du denn den Braten?«

Dieser antwortete: »Ich habe ihn in den Keller an den kühlsten Ort gelegt, damit er kalt brate und nicht anbrenne, wie Ihr mir geheißen habt.

Da wurde der Kauf­mann zornig und wollte Eulenspiegel durchprügeln, allein seine Gäste hielten ihn davon ab und lachten über diesen Spaß.

Die Frau war aber äußerst entrüstet, und sagte zu ihrem Manne: »Da siehst du nun, was du für einen Schalk an dem Landstreicher hast!«

Er sprach zu ihr: »Sei nur zufrieden, ich werde ihn auf meiner Reise nach Goslar noch gebrauchen. Wenn ich aber wieder komme, will ich ihn ver­abschieden.«

Der Kaufmann saß mit seinen Gästen bis in die Nacht und sie waren lustig und guter Dinge. Gegen Abend sagte er dann zu seinem Knecht: Toll! Du musst noch heute den Wagen zurechtmachen, denn morgen will ich nach Goslar mit dem Herrn Pastor Schwarzrock fahren. Deshalb schmiere den Wagen gut.«

Da fragte Eulenspiegel seinen Herrn, welche Salbe er zu dem Schmieren nehmen solle.

Der Kaufmann warf einen Groschen hin und sprach: »Gehe hin, kaufe dafür Karrensalbe und lass dir von meiner Frau altes Fett darunter geben.«

Eulenspiegel holte die Wagenschmiere, ließ sich noch einen großen Teil altes Fett geben und schmierte den Wagen innen und außen, ja sogar den Sitz im Wagen damit. Am anderen Morgen früh, als es noch dunkel war, setzten sich der Kaufmann und der Pfarrer in den Wagen, und Eulenspiegel kutschierte fort. Unterwegs stieß der Wagen sehr, und der Herr Pastor wollte deswegen etwas anhalten, damit sein dicker Körper diese Unbequemlichkeit nicht zu stark empfinde. Aber wie sehr erschrak er, als er die Hand voll Wagenschmiere bekam.

Und sie schrien beide: »Toll! Halte an!«

Wie sie sich nun im Wagen umsahen, da waren sie hinten und vorn so voller Wagenschmiere, als ob sie sich darin gewälzt hätten. Zufällig kam ein Bauer mit einem Wagen voll Stroh gefahren, dem kauften sie zwei Bunde ab, um sich und den Wagen damit abzuwischen.

Der Kaufmann konnte sich aber vor Zorn kaum halten und sagte zu Eulen­spiegel: »Du verlaufener Bösewicht, was hast du wieder für Bosheit ausgeübt?«

Eulenspiegel antwortete: »Ihr habt mir’s ja geheißen, den Wagen gut zu schmieren und nun ist es wieder nicht recht?«

Der Kaufmann sagte: »Schweig, du Schalksknecht, und fahre fort zum Galgen!«

Eulenspiegel trieb die Pferde an und fuhr zum nächsten Galgen hin. Als er darunter war, hielt er an und spannte die Pferde aus.

Als dies der Kaufmann sah, sprach er: »Was willst du jetzt wieder machen, du Schelm?«

Eulenspiegel sprach: »Habt Ihr mir nicht geheißen, zum Galgen zu fahren? Jetzt sind wir darunter. Ich dachte, Ihr wolltet vielleicht unterm Galgen ein wenig ausruhen, weil hier noch mehrere ruhen.«

Indem sah der Kaufmann aus dem Wagen und bemerkte, dass Toll den Wagen gerade unter einige aufgehängte Raubmörder gefahren hatte. Der Kaufmann und der Pfarrer ärgerten sich sehr über die tollen Streiche.

Der Erstere sagte zu Eulenspiegel: »Dir habe ich den Namen Toll gegeben, du bist aber auch toll. Hänge schnell wieder vor und fahre fort, du Schalk!«

Eulenspiegel zog den Nagel, der das hintere Gestell mit dem vorderen zusammenhält, aus dem Langwagen, hing die Pferde vor und fuhr fort. Sogleich ging der Wagen auseinander und das hintere Gestell blieb stehen, und Eulenspiegel fuhr mit dem vorderen allein fort. Der Kaufmann und der Pfar­rer riefen ihm aus vollem Halse nach, er solle doch anhalten; aber Eulenspiegel tat, als hörte er es nicht. Der Kaufmann musste tüchtig hinter ihm herlaufen, um Eulen­spiegel wieder einzuholen. Nun war der Kaufmann so sehr erzürnt, dass er ihn tüchtig prügeln wollte; der Pfarrer ver­hinderte aber dies. Als der Kaufmann von der Reise wieder zurückgekommen war, fragte ihn seine Frau, wie es ihm mit dem Knecht ergangen sei, und warum seine Kleider so schmierig aussähen. Er erzählte ihr nun, was er mit seinem Knecht unterwegs ausgestanden hatte.

Sie sprach zu ihm: »Habe ich dir dies nicht vorher gesagt, dass du mit dem verlaufenen Landstreicher nichts ausrichten würdest?«

Da sagte der Kaufmann zu seinem Knecht: »Toll! Da du bei mir so viele tolle Schelmenstreiche ausgeübt hast, so kannst du heute und morgen früh dich noch satt bei mir essen, aber dann musst du sofort mein Haus räumen.«

Eulenspiegel ant­wortete: »Ich weiß nicht, ich tue alles, wie man mir heißt, und doch ist es nicht recht! Wenn euch meine Dienste nicht anstehen, will ich morgen das Haus räumen und dann wandern.

Am anderen Morgen sprach der Kaufmann zu Eulenspiegel: »Iss und trink dich noch einmal satt, dann räume mir das Haus und lass dich nicht wieder sehen.«

Eulenspiegel ant­wortete: »Ja, ich will Eurem Befehl folgen.«

Der Kaufmann ging mit seiner Frau nach diesen Worten in die Kirche zur Frühmesse. Nachdem sie fort waren, aß Eulenspiegel sich erst recht satt und dann fing er an, auszuräumen; brachte Tische, Stühle, Spiegel, Betten, Kessel, Töpfe und was sonst niet- und nagellos war, vor die Haustür mitten auf die Straße. Die Nachbarsleute wunderten sich sehr über diese Possen. Einer von ihnen lief in die Kirche und sagte es dem Kaufmann. Dieser lief eilig nach Hause und traf den Narren noch in voller Arbeit an.

»Du infamer Bösewicht, was machst du nun wieder!«, rief er ihm zu, »warte, ich will dich für deine Mühe bezahlen!« Und griff nach einem Prügel.

Eulenspiegel entgegnete: »Seid nur nicht so hitzig, ihr habt mir’s ja geheißen, das Haus zu räumen. Nun habe ich erst Euren Willen erfüllen wollen, und dann wollte ich wandern.« Indem versuchte er die Stubentür auszuheben. Da sie ihm allein aber zu schwer war, so bat er den Kaufmann, ihm zu helfen. Dieser jagte ihn aber scheltend davon.

Da sagte Eulenspiegel: »Es ist doch sonderbar, Alles, was man mir heißt, tue ich und verdiene doch keinen Dank damit. Ich muss in einer unglücklichen Stunde geboren sein.«

Eulenspiegel war aber froh, dass er neue Kleider erhalten hatte. Der Kaufmann trug seine Sachen wieder ins Haus, welches ihm recht sauer wurde, und Eulenspiegel stand von fern und lachte ihn aus.

Quelle: Till Eulenspiegel in 55 radierten Blättern von Johann Heinrich Ramberg, mit Text nach der Jahrmarkts-Ausgabe. Verlag C. B. Griesbach. Gera. 1871