<<< zurück | Tyll Eulenspiegel in fünf und fünfzig radirten Blättern | weiter >>>

Eulenspiegel wäscht in Neugefleten in Thüringen die Pelze

Da Eulenspiegel das Hessische meiden musste, so reiste er ins Thüringische und kam in das Dorf Neugefleten. Hier kehrte er in einem Wirthshaus ein. Die Wirtin fragte Eulenspiegel, was er für ein Handwerksgeselle wäre.

Er antwortete: »Ich bin ein Wahrsager.«

Die Wirtin sagte: »Ich beherberge gern die Leute, welche die Wahrheit sagen.«

Eulenspiegel sah die Frau an und bemerkte, dass sie schielte und sagte zu ihr: Schielende Frau, wo soll ich mein Bündel hin­legen?«

»Ach, dass dir nimmer Gutes geschehe!«, antwortete die Wirtin. »Den Fehler hat mir noch niemand vorgehalten und du tust es?«

Eulenspiegel sagte: »Liebe Frau, soll ich die Wahrheit sagen, so kann ich dies nicht verschweigen.«

Diese Antwort beruhigte die Wirthin, und sie plauderte mit Eulenspiegel ein Langes und Breites. Unter anderem erzählte Eulenspiegel, wie er alte Pelze waschen und dadurch so gut wie neu machen könne.

»Das ist ja schön«, sagte die Frau und bat ihn, dass er ihre und ihrer Nachbarinnen Pelze waschen möchte. Er könnte damit Reisegeld verdienen.

Eulenspiegel sagte: »O ja, bringt sie nur her.«

Und fast alle Frauen des Dorfes waren so töricht und glaubten Eulenspiegel.

Als er mehrere Pelze bekommen hatte, sprach er: »Jeder Pelz kostet zwei Groschen zu waschen, und sollen sie recht schön werden, so müsst ihr mir süße Milch geben, dass ich sie damit waschen kann.«

Dies taten die Weiber, holten so viel süße Milch wie er haben wollte, und brachten ihm auch für einen jeden Pelz zwei Groschen.

Als Eulenspiegel dieses hatte, sprach er: »Nun muss jede Frau in den Wald gehen und mir junges Linden­holz holen, denn dies brauche ich auch dazu.«

Die gutmütigen Weiber gingen alle zum Wald, um das verlangte Holz zu holen, freuten sich sehr und sangen: »O schöne, neue Pelze!«

Als die Weiber nun weg waren, nahm Eulenspiegel alle Pelze, legte sie in einen Kessel, goss die Milch, die er noch hatte (einen großen Teil hatte er schon selbst verzehrt), darauf und nun noch so viel Wasser dazu, dass die Pelze bedeckt waren, setzte den Kessel aufs Feuer und heizte fleißig unter, damit sie schnell ins Kochen kamen. Dann eilte er, dass er aus dem Dorf kam, denn mit leichter Mühe hatte er sich wieder Geld erworben.

Als nun die Weiber wieder zurückkamen, glaubten sie Eulen­spiegel mit ihren Pelzen beschäftigt zu finden; aber Eulen­spiegel war fort. Jetzt wurden sie auch gewahr, dass ihre Pelze auf dem Feuer standen und gänzlich zerkocht waren; und dazu hatten sie ihm noch Geld und Milch gegeben. Darüber äußerst zornig, beschlossen die Frauen, dass Eulenspiegel den ganzen Schaden bezahlen und obendrein eine tüchtige Tracht Prügel haben sollte. Aber Eulenspiegel hatte den Braten gerochen, denn er ist nie wieder dahin gegangen.

Quelle: Till Eulenspiegel in 55 radierten Blättern von Johann Heinrich Ramberg, mit Text nach der Jahrmarkts-Ausgabe. Verlag C. B. Griesbach. Gera. 1871;