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Eulenspiegel wird Arzt bei des Bischofs kranken Hofdoktor

Zu Magdeburg war einst ein junger Bischof mit Namen Bruno, ein Graf von Querfurt, der hörte von den vielen Possen des Eulenspiegel. Daher forderte er ihn zu sich nach Grevenstein. Dem Bischof, welcher selbst die Narrheit liebte, gefielen die Schwanke Eulenspiegels, und er beschenkte ihn deshalb mit schönen Kleidern und Geld. Nun hatte der Bischof einen ernsthaften und gelehrten Leibarzt, der sich nicht gut mit dem Possen liebenden Bischof vertragen konnte und oft zu ihm sagte, er möchte doch lieber verständige Leute als Narren am Hofe halten.

Den Rittern und dem Hofgesinde war dies aber keine gefällige Äußerung des Doktor, und sie sagten: »Wer die Torheiten nicht sehen wolle, der könne es lassen. Es würde ja niemand dazu gezwungen.«

Der Doktor sagte aber immer zu ihnen: »Narren gehören zu Narren, und Weise zu Weisen«, und äußerte dergleichen Reden noch mehr. Hierüber wurden die Ritter samt dem Hofgesinde verdrießlich, und sie dachten darauf, wie sie dem Doktor wieder einen Stein in den Weg legen wollten. Da sie nun aber so viel Witz nicht besaßen, so baten sie Eulenspiegel, er möchte doch etwas erdenken, womit sie ihren Hofdoktor in seiner Weisheit anführen könnten.

Eulenspiegel war dazu bereit und sprach: »Ja, wenn ihr mir Gelegenheit dazu verschaffen wollt, so soll der Doktor bald bezahlt werden.«

Dieses gingen sie gern ein. Eulenspiegel sann aber darauf, wie er nur eine passende Gelegenheit finde, um dem Herrn Hofdoktor einen tüchtigen Possen zu spielen, und eine solche Gelegenheit fand sich denn bald. Es wurde nämlich der Hofdoktor unerwartet sehr krank und hatte selbst einen Arzt nötig. Da sagten nun die Hofbedienten zu ihm, dass ein fremder, gelehrter Arzt hier angekommen wäre. Wenn er es wünsche, dass der fremde Arzt kommen solle, so wolle man es demselben zu wissen tun. Der Hofarzt nahm den Vorschlag an, und ließ ihn zu sich kommen. Dies war Eulenspiegel. Da er sich aber durch seinen Anzug unkenntlich gemacht hatte, so glaubte der Hofdoktor, den fremden Arzt vor sich zu sehen, und fing gegen ihn von seiner Krankheit an zu reden und bat, dass er ihn doch wieder aufhelfen möchte.

Eulenspiegel antwortete: »Ja, nur muss ich selbst eine Nacht bei Euch bleiben, damit ich die Krankheit beobachten kann, und alsdann will ich Euch schon aus dem Bett helfen, dass ihr wieder aufstehen könnt. Zuvor müsst Ihr aber eine Arznei einnehmen, die ich selbst zubereiten will.«

»Gut«, sagte der Hofarzt, »ich will Euch gern folgen.«

Eulenspiegel ging aber hin, machte eine derbe Purganz zurecht und gab sie dem Doktor des Abends ein. Nun blieb Eulenspiegel bei demselben und legte sich zu ihm, aber oben aufs Bett. Eulenspiegel hatte indes die üble Gewohnheit, dass er nie seine hintere Tür zuhalten konnte, und dadurch dem Doktor mit unangenehmen Gerüchen die heftigen Leibschmerzen, welche die Medizin verursachte, vergrößerte. Nach Mitternacht ging nun die Purganz auf einmal los. Der Hofarzt wäre gern aufgestanden.

Allein Eulenspiegel hatte sich vorn aufs Bett gelegt und sagte zu ihm, dass bei solchen Umständen das Aufstehen nicht dienlich sei. Endlich konnte es aber der Hofarzt vor üblem Geruch und Unreinlichkeit nicht länger im Bett aushalten, sondern er stand auf und schwankte vor großer Mattigkeit zu einem Stuhl. Eulenspiegel verließ aber das Zimmer und eilte, dass er fortkam. Am anderen Morgen kamen die Hofbedienten zum Doktor, um zu sehen, wie derselbe sich befände, allein er konnte ihnen kaum vor Mattigkeit antworten, sodass sie alle glaubten, er würde sterben, sie holten deshalb den Bischof herbei. Dieser ließ gleich alles Mögliche zu seiner Besserung anschaffen und fragte ihn, wie es ihm mit seinem Arzte ergangen sei. Der Hofarzt antwortete: »Ich glaubte, ich hätte einen erfahrenen Mann in der Arzneikunde, aber ich habe leider einen großen Narren bei mir gehabt.«

Da sagte aber der Bischof: »Euch ist nach Euren Worten geschehen. Ihr sagtet ja, man sollte sich nicht um Narren bekümmern, denn wer sich mit Narren behänge, bekäme Narrenlohn, und der Weise würde töricht beim Toren. Nun habt Ihr Euch mit einem Narren behängt und habt Narrenlohn erhalten, und seid als weiser Mann betört worden vom Toren. Ihr habt Eulenspiegel nicht kennenlernen wollen, da er früher Narrenpossen machte, aber nun habt Ihr ihn kennengelernt, ihm sogar geglaubt, und seid nun betrogen. Wir kannten den Narren wohl, wollten Euch aber nicht warnen, weil Ihr selbst so klug seid. Wer weise sein will, der muss auch die Narren kennen.«

Der Hofarzt sah sich genötigt, zu schweigen. Er hatte also Eulenspiegel kennengelernt, aber diese Bekanntschaft war ihm übel bekommen.

Quelle: Till Eulenspiegel in 55 radierten Blättern von Johann Heinrich Ramberg, mit Text nach der Jahrmarkts-Ausgabe. Verlag C. B. Griesbach. Gera. 1871