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Die älteste Elbsage

Wenige Jahre, bevor in Jerusalem der Heiland geboren wurde, trafen die Römer am Rhein Vorbereitungen, um auch Germanien ihrem Weltreich einzugliedern. Den Oberbefehl führte Drusus, der Stiefsohn des Kaisers Augustus. Er legte am Rhein zwischen Mainz und Xanten befestigte Kastelle an, um den römischen Heeren einen Rückhalt zu schaffen, und unternahm dann im Jahr 9 v. Chr. einen Eroberungszug, der ihn tief nach Deutschland hineinführte. Bis an die Elbe kam er.

Dort trat ihm eine Frau von übermenschlicher Größe entgegen und rief ihm zu: »Drusus, wohin reißt dich deine unersättliche Begierde? Es ist dir nicht bestimmt, dies alles zu schauen. Kehre um, du stehst am Ziel deiner Taten und deines Lebens!«

Die Erscheinung schreckte den Feldherrn so, dass er den Rückzug befahl und eilig auf den Rhein zu marschierte. Aber in der Wetterau fiel er vom Pferd und starb nach dreißig Tagen. Offiziere trugen seinen Leichnam nach Mainz, und von dort brachte man ihn nach Rom.

So nahm der Eroberungszug das schmähliche Ende, das die germanische Frauengestalt an der Elbe Drusus vorausgesagt hatte.

Quelle: Oskar Ebermann, Die schönsten Sagen von der Elbe und den anliegenden Landschaften und Städten, Verlag Hegel & Schade, Leipzig