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Die Zwerge im Hutberg bei Weißig

In der Nähe des Dorfes Weißig bei Eschdorf erhebt sich der sogenannte Hutberg beinahe 1000 Fuß über der Meeresfläche. Vor langen, langen Jahren war dieser Berg von einem Zwergengeschlecht bewohnt, das ruhig und freundlich mit den Bewohnern der umliegenden Gegend verkehrte und sich besonders durch das Tragen von runden Spitzhütchen auszeichnete. In dem Berg war Reichtum an Silber und oft kamen Leute aus der Nachbarschaft und baten um ein Darlehen, welches jene auch nie verweigerten. Nur hielten sie streng darauf, dass die Schuld zum vorher bestimmten Tage zurückgezahlt wurde. Geschah dies nicht, so traf den säumigen Zahler gewöhnlich irgendein Unfall. So hatte einstmals ein Mann in seiner Not Hilfe im Hutberg gesucht und gefunden. Als nun der Tag des Wiederbezahlens kam, eilte er schon ganz früh hin, um seine Schuld abzutragen. Siehe, da sprach der Zwerg, der ihn am Eingang des Berges empfing und dem er eben das Geld zu geben im Begriff war, zu ihm.

»Ei, du schlechter Mann, du hast heute noch nicht gebetet und auch noch nicht deine Hände gewaschen. Ich kann aus einer unreinen Hand kein Geld nehmen. Komm also heute über vier Wochen wieder, wasche dich aber erst und bete, dann magst du dein Geld zahlen.«

Aber der Mann war wirklich schlecht, denn nach vier Wochen stand er zwar wieder am Berg, allein er hatte weder gebetet noch sich gewaschen, weil er hoffte, auf diese Weise das Geld behalten zu können.

Als ihn der kleine Hutmann erblickte, wurde er sehr zornig und sprach: »Behalte dein Geld, lass dich aber niemals wieder hier sehen!«

Der Mann wurde mit dem listig erschlichenen Geld nicht glücklich. Es traf ihn Unglück über Unglück und bald war er wieder arm. Bald nachher machten die Zwerge allen ihren Schuldnern bekannt, sie müssten aus dem Hutberg ausziehen und würden ihre ausstehenden Schulden an dem Tag wieder zurückfordern, an dem sie in den Berg zurückkehren würden. Kurz darauf, an einem bestimmten Tage, sah man mit Erstaunen, wie das ganze Zwergengeschlecht in einem langen Zug, Männlein, Weiblein und Kindlein, zur Elbe herabstieg, wo ein bereitstehendes Schiff sie aufnahm. Mit Tränen in den Augen sahen ihre Schützlinge ihren Wohltätern nach, bis sie am anderen Ufer der Elbe hinter den Bergen, welche sie erstiegen hatten, verschwunden waren. Sie sind zwar niemals wiedergekehrt, aber, obwohl mit ihrem Wegzug die Luft auf und beim Berg kalt und unfreundlich wurde, sodass das Dorf Weißig eher Eisig genannt werden sollte, sind doch die Einwohner reich und wohlhabend geblieben.

Quelle: Oskar Ebermann, Die schönsten Sagen von der Elbe und den anliegenden Landschaften und Städten, Verlag Hegel & Schade, Leipzig