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Die Sage vom alten Schützen in Werben

  Edmund Veckenstedt: Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche

Zu Ende des vorigen Jahrhunderts wohnte in Werben ein alter Jäger]], welcher als der beste Schütze in der ganzen Gegend bekannt war. Im uebrigen war er ein Mann von rohen Sitten. Eines Sonntags war der Jäger mit mehreren jungen Leuten in der Schenke. Einige von denselben hatten auch Lust berühmte Schützen zu werden; sie sagten deshalb zu ihm: „Ihr müsst machen, dass wir auch so gut schiessen können, wie Ihr“ „Das will ich wohl thun,“ antwortete der Jäger, „kommt nur morgen zu mir.“ Am andern Tage gingen zwei Brüder zu dem Jäger. Dieser hiess sie freundlich willkommen. Dann sagte er ihnen: „Vor allen Dingen dürft Ihr nichts davon erzählen, was ich Euch mittheile, sonst lehre ich Euch das sichere Schiessen nicht.“ Die Beiden versprachen, sie wollten nicht ein Wort verrathen und gaben ihm die Hand darauf. Nachdem der Jäger die Stubenthür verriegelt hatte, sagte er zu ihnen: „Einer von Euch muss den Sonntag zum Abendmahl gehen, er darf aber die Hostie nicht essen, sondern muss mir dieselbe bringen.“

Am nächsten Sonntag ging einer von den Brüdern zum Abendmahle und brachte am Nachmittag in Begleitung seines Bruders dem Jäger die Hostie. Darauf nahm der Jäger dieselbe, einen Pfahl und seine Büchse, dann gingen alle drei auf das Feld. Dort grub der Förster den Pfahl ein und befestigte die Hostie daran. Dann machte er ein grossen Kreis um den Pfahl, wobei er allerhand unverständliche Worte murmelte. Hierauf zog er ein Papier aus seiner Brusttasche und sprach: „Ich muss Jeden von Euch jetzt ein klein wenig in den Finger ritzen, bis er blutet; mit diesem Blute müsst Ihr Euren Namen auf diesen Zettel schreiben.“ Es geschah also. Darauf gab der Jäger dem ältesten der Brüder die Büchse und sprach: „Tritt in den Kreis.“ Der junge Mann trat in den Kreis, legte seine Büchse an und schoss nach der Hostie. Aber kaum war der Pulyerdampf verraucht, so erstarrte der andere Bruder fast vor Schreck und Staunen, denn er sah plötzlich Christus in Lebensgrösse an dem Pfahle hängen. Jetzt wollte der andere Bruder nicht mehr in den Kreis treten und schiessen, aber der Jäger stiess ihn hinein: er drückte ihm das Gewehr in die Hand, so dass er schiessen musste.

An diesem Tage haben die beiden Brüder den Verstand verloren, sie liefen fortan irrsinnig im Dorfe herum. Eines Sommerabends spielten die Kinder vor der Kirche. Da ging ein graues Männchen, welches einen dreieckigen Hut aufhatte, an ihnen vorüber. Die Kinder lachten, und sprachen unter einander: „Seht mal, solch kleiner Mann mit einem so grossen Hut“ Das Männchen wandte sich um und zeigte ihnen ein grauenhaftes Gesicht. Da wurden die Kinder still. Sie sahen nur noch, dass das Mannchen im Gehöfte der Brüder verschwand. Am andern Tage war der älteste der Brüder nirgends zu finden, der jüngste aber erhing sich kurze Zeit darauf.

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