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Kastelen Alpe

Auf der Kastelen Alpe wohnte ein reicher Bauer, der hatte viele Heerden und Matten, und drunten in Kriens hatte er eine arme Muhme, die war Wittwe, hatte nur eine einzige Tochter und nährte sich mit dieser gar kümmerlich, lag auch schwer an der Gicht darnieder. Da entschloß sich das Meidli hinauf auf die Alp zum reichen Vetter zu gehen, und ihn um eine Unterstützung anzusprechen. Da stieg ein schrecklich Gewitter am Himmel auf, als sie auf der Alpe ankam, ihr aber ward kein Trost und keine Gabe, nur Hohn und Scheltworte, und sie ließen droben auch trotz des drohenden Wetters das Mägdlein wieder fort gehen. Das kam tüchtig in das Wetter und erreichte mit Noth die Hütte eines Sennen, das war ihr Bube Aloys, der hatte noch einen kleinen Käs, den gab er ihr für sie und ihre Mutter. Raschen Schrittes eilte die Dirne abwärts, da glitt sie auf der glatten Trifft, fiel hin, und der Käs wollte in die Tiefe, unaufhaltbar in unzugängliche Felsklüfte. Weinend und kummervoll schaute die arme Dirne dem entrollten Käse nach, da faßte etwas ihre Hand, und sie erschrak zum Tode, und bei ihr stand so ein klein winziges graues Herdmanndli, das hatte auf seiner Schulter das verloren gegangene Stückchen Alpenkäse, etwa so groß wie ein Viertelsmühlstein, und in der Hand ein Büschel Kräuter, und sprach: magst den Käs' mit heim nehmen, und deiner Mutter von den Kräutern einen Thee kochen, sollst nicht mehr hülflos weinen. – hoch droben im Gebirg aber tobte das Unwetter noch fort, über alle Maaßen grülich, und war ein Donnern, Tosen und Krachen, als ginge die Welt unter. Wie das Maidli zu Mutter kam, war der Käs ein Stück so schweres Gold geworden, und vom Kräuter-Thee wurde die Mutter ganz gesund. Ueber die Kastelen Alp aber hatte sich im Gewitter ein Bergsturz geschüttet, bis Matten verwüstet, die Heerden erschlagen und ein Stein, etwa so groß wie ein Alpenkäs hatte dem geizigen Vetter einen Fuß abgeschlagen. Später ist er noch zu seiner Muhme Hause gehinkt gekommen und hat gebettelt.

Quellen: