Die Welfensage

Vor langer Zeit stand bei Weingarten eine Burg, auf welcher der mächtige Graf von Altdorf lebte. Das Volk verehrte ihn als strengen, aber gerechten Herrn, wohingegen seine Frau wegen ihrer Hartherzigkeit und ob des Geizes gefürchtet war. Ihr begegnete eine arme Witwe, die sie um ein Almosen für ihre Kinder bat. Als diese von der Gräfin mit bösen Worten zurechtgewiesen wurde, stieß sie eine Verwünschung gegen die Adelige aus.

Bald darauf kam die Gräfin nieder und gebar zwölf Knaben. Das galt damals als böses Zeichen, denn nach mittelalterlicher Vorstellung versinnbildlichten Mehrlingsgeburten den Ehebruch: „Wie viel Kinder, so viel Väter sind’s“, gingen damals die Worte. So ließ die Gräfin elf Jungen heimlich beiseiteschaffen. Eine Magd sollte sie im Bach ertränken. Unglücklich machte sich diese auf den Weg.

Kaum hatte sie die Burg verlassen, kam ihr der Graf entgegen, der eben von der Jagd heimkehrte. Auf die Frage, was denn in ihrem Korbe getragen werde, antwortete die junge Frau zitternd, es seien elf junge Welpen, die sie ertränken solle, weil die Gräfin das laute Gebell so sehr störe. Misstrauisch befahl der Graf, den Korb zu öffnen. Da fiel die Magd schluchzend vor ihm nieder und gestand, was geschehen war. Als der Graf seine Fassung wiedergefunden hatte, hieß er die Magd, der Gräfin auszurichten, sie hätte ihren Auftrag ausgeführt, ansonsten solle sie aber schweigen.

Er selbst gab die Knaben einem Müller in der Nachbarschaft zur Pflege, sagte ihm aber nichts über ihre Herkunft. Jahre vergingen. Als die Knaben herangewachsen waren, lud der Graf zu einem großen Fest und erzählte bei Tische manche Geschichte; auch von einer Mutter, die ihre eigenen Kinder wie junge Welpen ertränken lassen wollte. Welche Strafe denn eine solche Mutter verdiene, wandte er sich an seine Gemahlin. Böses ahnend stammelte diese: „Den Tod.“

Auf ein Zeichen des Grafen öffnete nun die Magd die Türen des Rittersaals und die elf Knaben traten mit dem Müller ein. Der Graf berichtete seinen Gästen, was sich vor Jahren zugetragen hatte. Die Gräfin warf sich ihm zu Füßen und bat um Gnade. Nur durch die Fürsprache der Söhne ließ sich der Graf erweichen und verschonte ihr Leben.

Die Knaben aber wurden fortan „die Welfen“ genannt.

Quelle: Britta Zimmermann / Ritterbrüder der Welfen