Die Feuermännchen an der Erft

  M. Cremer: Was sich die Leute an der Erft erzählen. 
  In: Erftbote 1951, Seite 73

Wenn in milden Sommernächten an der Erft die Leuchtkäfer schwirren, so haschen die Kinder, die zufällig einmal spät abends an der Hand der Eltern heimkehren, jubelnd und jauchzend nach den tanzenden Lichtern, und ihre Eltern freuen sich lächelnd daran. Die Alten aber, der Ahn und die Ahnin, die schon stille Augen und zittrige Hände haben, denken versonnen: „Da findet wieder eine arme Seele keine Ruhe und muss als Feuermann durch Wiesen und Buschwerk schweifen.“

Denn wer zu Lebzeiten einen Grenzstein auch nur um ein Geringes versetzte, der muss - so heißt es im Volksmund des Erftgebietes - nach seinem Tod im Glühwürmchenschwarm irrlichternd durch die Gemarkung streifen. Darum nennt man an der Erft einen Leuchtkäferschwarm noch heute oft Feuermann.

Und wenn am Feldrain oder im Benden, wo die Pappeln leise im Nachtwind rauschen und sich aus den Wiesen die Dünste heben, zwei solcher Feuermänner sich begegnen, so fahren sie wie erbitterte Feinde aufeinander los und ergehen sich in den ärgsten Vorwürfen, dass im Leben der eine dem anderen kein besseres Beispiel gegeben. Wenn sie dann müde und matt vom vergeblichen Streit sind, so lassen sie voneinander ab und lösen sich in einen Sprühregen auf. Aber Ruhe finden die armen Seelen nicht eher, bis ein mitleidsvoller Mensch sie mit gutem und klugem Wort erlöst.

Quelle: www.sophie-lange.de