Der Unerschrockene und der wilde Jäger

  Pfarrer Krause, Sagenhaftes aus der Chronik von Eschweiler, dem Munde des Volkes nacherzählt; 
  Der unerschrockene Mahlhannes von der Möschemer Mühle im Eschweiler Tale; 
  Eifelvereinsblatt, September 1910, Seite 231 und 232; 

Selbstverständlich ist der unerschrockene Mahlhannes auch mit dem wilden Jäger zusammengetroffen.

Mit dem wilden Jäger aber hat es der Sage nach noch folgende Bewandtnis. Er kommt mit seinem gespenstigen Jagdgefolge vom Quecken, einem Berge bei Münstereifel herunter, aus der Gegend, welche „die alte Burg“ genannt wird. Zu seinen Lebzeiten soll er der Jagdleidenschaft so sehr gefrönt haben, dass er sogar an Sonntagen mit der Hundemeute ausritt und den lieben langen Tag mit seinen wilden Genossen auf der Jagd verbrachte, und also oft genug durch den Lärm zum Entsetzen aller frommen Christen die geheiligte Ruhe des Sonntags störte. Oftmals wurde er von seiner frommen Mutter ermahnt, von seinem wilden Treiben abzulassen, aber er hörte nicht darauf und verlachte sie sogar. Da verfluchte sie ihn in ihrem Zorn, dass er nimmer von der Jagd zurückkehren möge und dass er jagen möge bis zum jüngsten Tage. Von dem Fluche der Mutter getroffen, so erzählt die Sage, kehrte er nicht mehr lebendig in seine Burg zurück; er blieb verschollen und seine Burg wurde zerstört.

Aber seine arme Seele hat keine Ruhe; der wilde Jäger muss immerfort in den stürmischen Nächten der Tag- und Nachtgleiche jagen. Wenn er über die Höhen in sein eigentliches Jagdrevier bis zum Teufelsloch reitet – einer Höhle im Hirnberge, wo auch der glühende Mann umgeht – und dem Dorf Eschweiler gegenüber, wo die Treibjagd beginnt, seine Jagdmeute benutzt, das heißt zum Jagen und Suchen des Wildes antreibt, dann haben ihn die guten Eschweiler gehört und vor Angst oft genug die Bettdecke über den Kopf gezogen. Aber den wilden Jäger gesehen zu haben, konnte sich keiner rühmen; denn in der guten alten Zeit hielt man es mit dem Spruche, die Nacht ist keines Menschen Freund, und benutze die Nacht zum Schlafen und mache nicht, wie in unserer Zeit es geschieht, die Nacht zum Tage. Des Abends ging keiner mehr aus, sondern jeder blieb hübsch zu Hause, da begegnete man auch keinem umgehenden Gespenste oder Geiste oder gar dem wilden Jäger.

Daran aber störte Mahlhannes sich nicht; er ging aus, wann es ihm gefiel, ob es Tag oder Nacht war. So ging er auch einmal spät in der Nacht aus, um in der Schleifmühle, die von Münstereifel an der Brücke, welche zum Kirchhof führt, gelegen war, seine Bille [Schleifgerät] zu schleifen. Diese Schleifmühle, in der die Handwerker und Müller der Umgegend ihre Werkzeuge zu schleifen pflegten, ist längst vom Erdboden verschwunden, heute steht an ihrer Stelle ein Kreuz mit der Jahreszahl 1770 und ein alter Eibenbaum. Hier aber ist der Weg, auf dem der wilde Jäger vom Quecken hinüber in sein Jagdrevier reitet, und Mahlhannes sah mit leibhaftigen Augen, wie er mit seinem Jagdgefolge vorüberbrauste.

Da wäre denn ein anderer vor Angst in das nahe gelegene Städtchen Münstereifel gelaufen, vor Schreck über das unerhörte Abenteuer hätte er jedenfalls die Sprache verloren, und erst mehrere Stephinsky Bittere hätten ihn wieder zu Besinnung und Sprache bringen können – wenn dieser Schnaps schon damals erfunden gewesen wäre.

So einer war aber Mahlhannes nicht, er rannte keineswegs davon und vergaß auch nicht, seine Bille zu schleifen. Den braven Besuchern von Eschweiler aber erzählte er sein nächtliches Erlebnis, so dass ihnen darob die Haare zu Berge standen. Zum Beweis aber zeigte er ihnen die frisch geschliffene Bille. Wer hätte da noch zweifeln können, zumal – o Wunder – keine lange Zeit verging, da hatte ganz Eschweiler in der betreffenden Nacht wie noch nie zuvor das Toben und Schreien des wilden Jägers und den Lärm der Jagd gehört. Vorab natürlich die alten Jungfrauen, die ja immer mehr als andere Sterbliche sehen und hören, dann die Frauen und Kinder, und die Frauen überzeugten ihre Männer, so dass sie es eingestanden, die wilde Jagd in der fürchterlichen Nacht auch gehört zu haben.

Der Ruhm des Mahlhannes verbreitete sich in der ganzen Gegend. So war es in der guten alten Zeit, die aber eigentlich nie gewesen ist.

Quelle: www.sophie-lange.de