Der Römerkanal und eine Wette

Schon unseren Vorfahren im Mittelalter blieb die römische Wasserleitung1) nicht unbekannt und so sehr fühlten sie sich von der Großartigkeit desselben ergriffen, dass sie nicht Menschenhänden, sondern diabolischer Kraft die Ausführung und Vollendung desselben zuschrieben. Wer kennt nicht jene schöne Sage, welche den Bau des Kölner Domes mit dem unserer Wasserleitung in eine so eigentümliche Verbindung setzt!

Als des Domes Felsenmauern, so wird erzählt, in ihrer Pracht und Herrlichkeit gen Himmel zu ragen begannen, da fasste der Böse in seinem Grimme über die Bestimmung des Baues den Plan, die Ausführung desselben mit allen Kräften zu verhindern. Lange sann er nach, wie er wohl am besten seinen Zweck erreichen möchte und manchen Versuch, den Fortbau zu hemmen, sah er scheitern an der Umsicht und Tätigkeit des Werkführers.

Da kam er endlich auf den Gedanken, des Baumeisters Ehrgeiz anzustacheln und sich als ebenbürtigen Kunstgenossen neben ihn zu stellen. Und so trat er eines Tages zum Meister in seine Werkstätte, voll Ruhmes über die Pracht der Anfänge und den Fortschritt des Baues; aber er erhob Zweifel an der Ausführbarkeit des Planes und der gänzlichen Vollendung des Werkes; eher, meinte er, würde es ihm möglich sein, die Wasser der Mosel von Trier her in einem unterirdischen Kanale über die Höhen der Eifel nach Köln zu führen, als jener den Bau des Gotteshauses vollenden könnte.

Der Meister lachte der Rede des Alten und schüttelte ungläubig das Haupt. Doch dieser beteuerte hoch und fest, dass die Ausführung seines Vorhabens möglich sei und erbot sich gar, eine Wette deshalb eingehen zu wollen; und wenn der Tag gekommen, an welchem die Arbeit vollendet sei, wolle er zum Wahrzeichen dessen von Trier aus eine Ente den Kanal hinabschwimmen lassen. Die Wette wurde geschlossen und beide schieden. Tage und Jahre vergingen, aber der Alte ließ sich nicht wieder blicken und von dem Baue eines Kanals war in weiten Kreisen umher keine Kunde zu bekommen.

Unterdessen schritt der Bau des Domes rasch und freudig voran und mehr und mehr erhob sich ein Staunen ob der kühnen, himmelanstrebenden Masse. Da plötzlich, als eines Morgens der Dombaumeister auf dem südlichen Hauptturme stand und mit Wohlgefallen hinab sah auf die rege Tätigkeit ringsum, öffnete sich zu seinen Füßen der Boden und ein fester, gemauerter Kanal spie der Mosel Wasser aus, auf dem zugleich die verhängnisvolle Ente laut schnatternd einher schwamm.

Und in Staunen versunken wagt er kaum aufzublicken; aber ein lautes Kichern lässt sich hinter ihm vernehmen und als er erschrocken rückwärts blickt, begegnet sein Auge den grinsenden Zügen des wohlbekannten Alten. Das hält er nimmer aus und im Ärger über die verlorene Wette stürzt er sich von der Höhe des Turmes hinab, an dessen Fuße sein entseelter Körper von der betroffenen Menge aufgehoben wird; auch sein treuer Hund ist gefolgt und liegt zerschmettert neben ihm.

So geriet der Bau des herrlichen Gotteshauses durch dieses Teufelswerk ins Stocken und fand lange Zeit keinen Meister wieder. Aber noch heutigen Tages erkennet das Volk in Wasserspeiern, die vom Gesimse ragen, den Dombaumeister und seinen Hund.

Quelle: C. A .Eick: Die römische Wasserleitung aus der Eifel nach Köln, Bonn 1867, Seite 2 und 3


1)
Der reale Römerkanal führte allerdings nicht von Köln bis Trier sondern nur bis Nettersheim.