Der Riese des Hochfelsens

Im 19. Jahrhundert stand ein kleines Haus im Schutz der massiven Felsbrocken des Hochfelsens im Wald bei Philippsbourg. Man hatte seit langer Zeit keinen Rauch mehr aus dem Schornstein der rustikalen Hütte aufsteigen sehen. Der wilde Wein hatte das Häuslein fest im Griff. Trotz dieses unbewohnten Eindrucks lebte hier eine sonderbare Gestalt: sie faszinierte und verängstigte die Bevölkerung, die sie den Riesen des Hochfelsens nannte.

Der Riese hatte stechende Augen, buschige Augenbrauen, einen zotteligen weißen Bart und war nicht minder groß. Doch bewegte er sich im Wald ohne zu rascheln und man bekam ihn selten zu Gesicht. Tagsüber verbrachte er die Zeit in der Hütte und nachts ging er höchst erfolgreich auf Jagd. Bei den Tieren war er gefürchtet, denn der Riese erlegte jedes Stück Wild ohne jegliches Mitleid. Die lokalen Jäger sahen in ihm eine starke Konkurrenz und stellten ihm aber vergeblich eine Falle.

Zur gleichen Zeit lebte die Witwe eines armen Köhlers noch viel abgeschiedener im Wald. Gekrümmt und vom Alter gezeichnet, besaß sie nur zwei Ziegen, die ihr die notwendige Milch gaben. Eines schönen Tages verlief sich eine Ziege im Wald und fiel dem Riesen des Hochfelsens zum Opfer. Die Witwe wartete zwei Tage auf ihre Ziege und ging anschließend auf die Suche. Ihre verzweifelten Rufe hallten durch die Wälder: „Gebt mir mein Zicklein zurück! Gebt mir mein Zicklein zurück!“. Doch die Ziege war verschwunden.

Ihre Rufe waren nicht umsonst und wurden von den Göttern erhört: von diesem Tag an ward der Riese des Hochfelsens nie mehr gesehen. In dunklen Nächten hört man das verzweifelte Gemecker der verlorenen Ziege, die ihre Besitzerin sucht.

Quelle: www.Wanderparadies-Wasgau.de