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Das Salzwerk um Mitternacht

Zu Hallein tief im Wald gibt es einen tiefen Schacht,
Der öffnet, lang verschüttet, sich stets um Mitternacht.
Da glänzt von Grubenlichtern herauf ein roter Schein,
Es tönt wie mächtig Hämmern tief unten im Gestein.

Das sind die Knappen alle, die dort der Tod erfasst
Bei fromm ergeb’nem Fleiße, im Tagwerk ohne Rast.
Sie schlummern in der Kühlung, wo sie der Bergsturz traf,
Und steh’n nur mitternächtlich zur Arbeit auf vom Schlaf.

Es glänzt die Felsenhalle von hundert Lampen hell,
Drin quillt aus blauem Marmor ein mächtig frischer Quell.
Sie stehen längs den Wänden im grauen Berggewand,
Mit halb geschloss’nen Augen, mit nimmer müder Hand.

Sie höhlen tief im Felsen, da funkelt’s wie Metall,
Sie fördern ihn in Blöcken den reinen Salzkristall,
Und zu dem Felsendröhnen und zu der Hämmer Klang
Ertönt von bleichen Lippen ein wunderbarer Sang.

Dann fassen rüstig hebend sie all das Salzgestein
Und streun es in die Quelle mit voller Hand hinein,
Und reichen sich die Hände und legen sich zur Ruh ,
Und schlägt es eins vom Turme, ist auch der Schacht schon zu.

Doch weiter rinnt die Quelle, tief, lauten Wellenschlags,
Verborgen, bis bei Hallein sie quillt zum Licht des Tags.
Da scheint ihr Lauf zu zögern, zu frieren scheint ihr Schwall,
Da bildet Stund’ auf Stunde sich reich der Salzkristall.

Das Wunder, das sich also mit jedem Tag erneut,
Es ist der Lohn, der schönste, den uns der Herr verleiht,
Des unberühmten Fleißes, der nimmer müde war.
Selbst aus dem Grabe wirket er Gutes wunderbar.

Quelle: Friedrich Wrubel, Sammlung bergmännischer Sagen, 1883