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Die weiße Jungfer

Am Markt zu Stolberg, im Kaufmann Kerst’schen Haus, wohnte ein Steiger. Der suchte nach Silber, konnte aber nichts finden. Da erschien ihm zuletzt eine weiße Jungfer und fragte, was er da suche. Er sagte es. Sie versprach ihm darauf, ihm einen reichen Erzgang zu zeigen, wenn er sie erlösen und dann heiraten wolle, ohne es ihr jemals vorzuhalten, dass sie ein Geist gewesen sei. Als er darin einwilligte, hielt sie einen silbernen Nagel in der Hand und sagte, wo sie diesen Nagel einschlüge, da sollte auch er einschlagen. Sie schlug den silbernen Nagel unter dem Auerberg ein, und der Schacht heißt heute noch Der silberne Nagel. Ein Wegweiser führt dahin am Weg zum Auerberg (Josephshöhe).

Einst entzweite sich der Steiger mit seiner Frau und sagte: »O du erbärmlicher Erdenkloß. Ich habe dich ja erst erlöst! Was wärst du denn ohne mich!«

Seitdem geriet der silberne Nagel in Verfall.

Andere erzählen, die Jungfrau vom silbernen Nagel hieß Georgine. Der Nagel war 6 bis 7 Zoll lang, die Silberader 7 bis 8 Fuß stark. Sie stürzte sich zuletzt in den Schacht, und man fand kein Erz mehr.

Oft sahen die Bergleute den Berg- oder Erdgeist, welcher diese Georgine war, aber nur wie einen Schein, dann war sie wieder verschwunden. Als Fremde einst auf ihre Kosten das Bergwerk wieder aufnehmen wollten, hörten stolbergische Arbeiter eine wundervolle Musik in der Tiefe. Sie gingen der Musik nach und fanden zwei tanzende Personen, die weiß gekleidet waren, und noch eine Mannsperson. Da sie sie aber genauer ansehen wollten, verschwanden sie in einer Ecke, wo die starke Erzader wiedergefunden wurde. Dies wurde einem Stolberger Offizianten gemeldet.

Der sprach: »O, ihr Toren, was wollt ihr Fremde diese Erze langen? Lasst sie stehen für Stolberg.«

Sie mussten diesen Gang wieder verschütten. Nun fanden sie aber keine Erze mehr. Man sagt, der silberne Nagel gäbe seine Schätze nicht eher wieder her, als bis ein Rosenstock von 7 Ellen und ein weißer Sperling auf dem Schloss zu finden sein werden.

Quelle: Friedrich Wrubel, Sammlung bergmännischer Sagen, 1883