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Lütten Friede

  Mündlich

„Lütten Friede„ in Fünfeichen konnte allerhand Geschichten. Der konnte auch die Tollheit verschreiben.

Einmal war ein Mann von einem tollen Hunde gebissen worden. Da ging er zu „Lütten Frieden“ und nahm zwei fettgeschmierte Butterschnitten mit. Darauf hat der ihm die Tollheit verschrieben. Es ist auch gut geworden. Der Mann wurde nicht toll. Das kann heute kein Mensch mehr.

„Lütten Friede“ hatte stets zwei große Kater neben sich zu liegen.

Oft schickte er Leute weg mit den Worten: „Dir kann ich nicht helfen; du hast schon unterwegs gedacht, der wird dir doch nicht helfen.“ Er wußte auch, wie viel Geld die Leute in der Tasche hatten, die zu ihm kamen. Wenn Bauern gegen seinen Willen mit Heu an seinem Hause vorbeifuhren, so konnte er bewirken, daß der Wagen umfiel. „Lütten Friede“ hatte einen schwarzen Hund und schwarze Katzen um sich.

Einmal ging er mit dem alten Ludwig vom Fürstenberger Markte heim. Als sie beide am Schönfließer Berge waren, kam ein gewaltiger Quirlwind, und der alte Ludwig sah, wie „Lütten Friede“ auf einem Ziegenbocke durch die Luft flog. Da Ludwig nach Fünfeichen kam, dachte er: Du mußt doch sehen, ob „Lütten Friede“ zu Hause ist, und er blickte durch das Fenster und fand ihn bei seiner Beschäftigung.

Ein anderes Mal fuhr „Lütten Friede“ mit dem alten Ludwig nach Guben. Da sagte er zu diesem: „Heute werden wir ein hübsches junges Mädchen treffen, der soll ich helfen; aber was die will, das thue ich nicht!“ In der Henzendorfer Heide begegnete ihnen ein hübsches Mädchen, die fragte sie, wie weit es noch nach Fünfeichen wäre. „Zu wem willst du denn?“ sprach Ludwig zu ihr. „Zu Lütten Frieden!“ antwortete sie. Da rief Friede selber: „Lütten Friede ist nicht zu Hause, und was du bei ihm willst, davon hilft er dir nicht!“ Nun kehrte das Mädchen traurig wieder um.

Ein drittes Mal kam „Lütten Friede“ durch das Dorf Pohlitz und brauchte notwendig einen Strick. Er sprach einen Bauer um einen solchen an. Der Mann antwortete ihm aber: „Ich habe keine Zeit, einen zu suchen!“ Am andern Tage hatte der Bauer einen dicken Arm, und dieser wurde so schlimm, daß er damit zu „Lütten Frieden“ ging. Als er zu ihm kam, sagte „Lütten Friede“: „So,hast du nun Zeit?“

Da „Lütten Friede“ gestorben war, ließen ihm die Hunde keine Ruhe im Grabe; sie kratzten fast alle Nächte an seinem Grabhügel herum, so daß von demselben bald nichts mehr zu sehen war.

Der Ruf dieses Zauberers war bis nach Mannheim gedrungen; ein Mann aus Bahro, der 1848 in jener Stadt im Quartier lag, wurde von seinen Wirtsleuten nach „Lütten Frieden“ gefragt.

Quelle: Niederlausitzer Volkssagen vornehmlich aus dem Stadt- und Landkreis Guben, gesammelt und zusammengestellt von Karl Gander, Berlin, Deutsche Schriftsteller-Genossenschaft, 1894