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Die Wassernixen, der Wassermann und seine Frau

  Frenzel, hist natur. I 420 mse. Funck, Schulprogramm v. J. 1694. 
  Gräve S. 111. L. Mon. Schr. 1797 II. 750.
  Haupt u. Schmaler, Wend. Lieder I. 62, II. 267. 
  Willkomm, Sagen und Märchen aus der O. L. 1845. I. S. 24.

Der Wassermann (wendisch wodny muz) auch Nix (wendisch nykus) genannt, sowie seine Gemahlin die Wasserfrau (wodna zona) wohnt in den Flüssen, Seen und Teichen der Lausitz und sucht die Vorübergehenden zum Baden zu verleiten, um sie dann zu ertränken, wie er dies auch mit jedem thut, der beim Baden in sein Bereich kommt. Die blauen Flecke der Ertrunkenen sind dann die Zeichen der Ertränkung durch Nixe.

Der Nix erscheint in einer von einem Menschen in nichts unterschiedenen Gestalt und ist er auf trockenem Lande, so ist er unkräftig und man kann ihn gefangen nehmen und zu seinem Diener machen. Mit seiner Frau zeugt er auch Kinder und diese gehen mit den Kindern der Menschen um, kommen auch wohl in die Gesellschaft der Menschen zu Tanze und verlieben sich in die hübschen Mädchen und jungen Burschen. Die Töchter des Wassermanns sind immer daran kenntlich, daß ihr Rock einen nassen Saum hat. Sonst trägt der Wassermann ein rothes Käppchen auf dem Kopfe und die Wasserfrau rothe Strümpfe an den Füßen. In den Städten der Oberlausitz hat man übrigens bemerkt, daß, wenn ein Mann in einem leinewandmen Kittel, dessen unterer Saum naß ist, auf den Wochenmarkt kommt, Getreide aufkauft und dasselbe über den Marktpreis bezahlet, Theuerung erfolgt; verkauft aber derselbige und zwar wohlfeiler als andere, so fallen die Getreidepreise. Und dieser Mann ist der Wassermann.

Seine Gemahlin sieht man oft am Ufer, wie sie in ihren rothen Strümpfen dasitzt und spinnt oder Wäsche bleicht. Im letzteren Falle bedeutet es Regenwetter oder großes Wasser. Wie jener mit Getreide, so handelt diese mit Butter und giebt auf die nämliche Art ein Anzeichen der kommenden Preise.

In der Zittauer Gegend sitzt der Wassermann im ersten und letzten Mondviertel an den Ufern der Flüsse und zwar an Stellen, wo sie langsam fließen, tief sind und nicht rauschen. Sein Aussehen ist häßlich, sehr bleich von Gesicht, mit schwarzen langen, bis auf die Schultern herabhangenden Haaren. Gekleidet ist er von Fuß zu Kopf in braungelbes Leder, das aus lauter kleinen Fleckchen zusammengesetzt ist. Diese pflegt er beim Monden schein laut zu zählen, wobei er sich mit den Händen klatschend auf die Beine schlägt. An diesem Tone erkennt man ihn.

Neugierige und Vorwitzige, die, von dem Tone gelockt, sich ihm näherten, sahen ihn dicht am überhangenden Ufer sitzen und suchten ihn durch einfallendes Mitzählen und Klatschen zu unterbrechen. Er stürzte sich über schlagend ins murmelnde Wasser, ohne daß ihnen Etwas geschah, dafür aber hatten sie das unangenehme Vergnügen, daß sie nunmehr alle Nächte das Klatschen und Zählen vor ihrer Wohnung mit anhören mußten, bis es sich traf, daß sie vor Aerger und Angst wieder einmal mitzählend einfielen, worauf sie ein lautes Gelächter vernahmen und fortan nicht weiter in ihrer Ruhe gestört wurden.

Anmerkungen: Man hat im slavischen woda, Wasser, und wodny, Nix, den germanischen Wodan wiederfinden wollen. Der skandinavische Odin ist allerdings auch Nix (oder Nichus eine Personifikation Odin's), aber der deutsche Wuotham erscheint vielmehr als Beherrscher der Luft, als Sturm- und Windgott, dessen Odem in den Wäldern und um die Gipfel der Berge weht. Möglich ist allerdings, daß die Slaven den Luftgott zu einem Wassergott machten. Wir sehen die Slaven überall das Wasser aufsuchen, Wasserorakel und Wasseropfer, heilige Waschungen nach orientalischer Sitte ganz besonders üben. Der musikalische Nix der Wenden ist eben so bezeichnend für die slavische Anschauung, wie die Querre und der wilde Jäger, die Berg- und Luftbewohner, für die Anschauung der Deutschen. Wie die Musik des Sturmes großartiger, einfacher und zugleich geistiger ist, als die, man kann sagen, kunstvollere aber kleinlichere der plätschernden Wellen, so sind überhaupt die beiden Nationen unterschieden. Die Lausitz hegt sie beide. Ihre Religionsansicht ist so verschieden, wie der germanische Gebirgswald des Südens und der slavische Wasserwald (Spreewald) des Nordens. Was aber die Wortähnlichkeit betrifft, so läßt sich ihre Bedeutung wohl darauf zurückführen, daß wir sagen: Die Slaven verlegen dasselbe ins Wasser, was die Deutschen in die Luft verlegen, und dies kann möglicher weise ein Fingerzeig sein zur Auffindung einer gemeinschaftlichen Sprachwurzel.

Quelle: Karl Haupt, Sagenbuch der Lausitz, Leipzig, Verlag von Wilhelm Engelmann,1862