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Die rätselhafte Sau

  Mündlich von Häusler Michter u. a. in Lahmo

Früher trieb sich auf dem Dorfplatze zu Lahmo des Nachts in der zwölften Stunde oder auch zwischen beiden Lichten eine Sau umher, die keinen Kopf hatte. Diese lief oft den Jungen zwischen die Beine, und sie mußten auf ihr zum Dorfe hinausreiten, bis auf den Kreuzweg am Kirchhof; dort warf sie ihren Reiter wieder ab. Wenn die Leute mit Backofenkrücken oder mit Strohwischen, wie sie beim Baden gebraucht werden, nach ihr schlugen, so war sie verschwunden, oder sie hieben sie in zwei Hälften auseinander, die aber im nächsten Augenblick auch schon wieder beisammen waren.

Der alte Untermüller ging in einer Nacht von Lahmo nach Hause. Auf dem Schanzberge hörte er auf einmal ein Sausen und Brausen, und ehe er sich's versah, war ihm die Sau zwischen den Füßen, und er mußte ein ganzes Stück auf ihr reiten. Einmal kam die Sau sogar in die Stube des Schulzen. Damals sprachen die Leute in Lahmo noch wendisch. Dann sagte der Schulze auf Wendisch: „Wetze mal das Messer, wir werden sie schlachten!“ Seitdem ist sie nicht mehr wiedergekommen.

Quelle: Niederlausitzer Volkssagen vornehmlich aus dem Stadt- und Landkreis Guben, gesammelt und zusammengestellt von Karl Gander, Berlin, Deutsche Schriftsteller-Genossenschaft, 1894