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Die Geschichte des Bauer Kibitz

Ein armer Bauer mit Namen Kibitz lebte mit seiner Frau in einem kleinen Dorfe ziemlich ruhig und zufrieden. Eines Tages, als er mit seinen beiden Ochsen seinen Acker pflügte, hörte er auf einmal seinen Namen rufen, er sah sich um, und erblickte einen Vogel, welcher ihn zu wiederholten Malen ausrief. (Es war nehmlich der Vogel Kibitz, der bekanntlich, wie der Kukuk, immer seinen eigenen Namen ausruft.) Der Bauer dachte aber, der Vogel spotte seiner, er nahm darum einen Stein, um ihn damit zu werfen, der Vogel flog aber ruhig davon, und der Stein, anstatt daß er den Vogel treffen sollte, fiel auf einen seiner Ochsen, und schlug ihn auf der Stelle todt. Was sollst du nun wohl noch mit dem anderen Ochsen machen, dachte Kibitz bei sich selbst, und ohne längeres Zögern schlug er auch diesen todt, zog ihnen das Fell ab, und ging sogleich nach der Stadt, um sie dort an einen Gerber, so gut als möglich, zu verkaufen.

Er fand auch bald ein Haus, worin ein Gerber wohnte. Er klopfte hier an, und ehe man ihm aufmachte, sahe er durch ein Fenster, daß eine Frau einen jungen Menschen, der ihr Liebhaber war, in einen Kasten versteckte. Jetzt wurde ihm aufgemacht. Die Frau fragte, was er wolle, und als er ihr sagte, daß er Felle verkaufen wolle, bekam er zur Antwort, daß der Gerber nicht zu Hause wäre, und man nichts ohne des Herrn Wissen kaufen könnte. Der Bauer sagte, man sollte ihm nur den alten Kasten da (er wies nehmlich auf den, worin der Liebhaber saß) geben. Dieses wollte natürlich die Frau nicht zugeben, sie zankten sich so lange darum, bis der Gerber nach Hause kam, und fragte, was es denn hier gäbe?

Der Bauer erzählte nun alles, und daß er ihm doch den Kasten geben möchte. Der Gerber sagte zu seiner Frau, warum sie denn nicht den Kasten geben wollte, sie könnte froh sein, wenn der Bauer damit zufrieden wäre. Und nun nahm der Bauer den Kasten, die Frau mochte sagen, was sie wollte, das half alles nichts, er lud ihn auf seinen Wagen und fuhr damit fort. Als er ohngefähr die Hälfte Weges gefahren war, fing der junge Herr an zu schreien, zu rufen und zu bitten, daß der Bauer ihn doch loslassen möchte. Unser Kibitz aber ließ sich nicht bewegen. Er ließ sich endlich Geld bieten, aber auch damit wollte er anfangs nicht zufrieden seyn, bis er ihm 1000 Thaler bot, hiermit wollte er ihn loslassen. Er ließ es sich auszahlen, und ihn dann laufen.

Nun kehrte er vergnügt nach seinem Dorfe zurück, und erzählte, wie gut er seine Felle angebracht hätte. Als dieses die übrigen Bauern hörten, schlugen sie alle ihre Ochsen todt, und wollten das Fell auch an den Gerber verkaufen. Als sie aber zu ihm hinkamen, fragte er sie, ob sie wohl gescheid wären, er hätte dem Kibitz ja nur einen alten Kasten gegeben. Darüber erzürnt, daß sie der Bauer Kibitz so angeführt hatte, nahmen sie sich vor, ihn todt zu schlagen, und zwar dann, wenn er in seinem Garten stände und grübe. Dies erfuhr aber mein Kibitz, er sagte also zu seiner Frau, daß sie einmal sich einen Spaß machen wollten, nehmlich sie möchte doch seine Kleider anziehn und in dem Garten graben, damit die Bauern dann glauben sollten, daß er es wäre. Die Frau versprach es auch zu thun; sie stellte sich also am Morgen in den Garten und grub. Da kamen denn die Bauern und schlugen sie todt, mit dem guten Glauben, sie hätten den Kibitz todtgeschlagen.

Unser Kibitz freuete sich indeß inniglich, daß ihm der Plan so gut gelungen war. Indeß dachte er auch noch von seiner todten Frau einigen Nutzen ziehen zu können; er nahm sie nehmlich, zog ihr ordentliche Kleider einer Bauersfrau an, gab ihr einen Korb mit den schönsten Früchten, die jetzt sehr selten waren, da es schon Winter, in die Hand, und setzte sie in der Stadt auf ein breites Geländer; er aber versteckte sich nicht weit von diesem Orte. Nach einer Weile kam ein sehr schöner Wagen mit 6 Pferden, Bedienten und einem Vorreiter gefahren, worin eine sehr hochadliche Herrschaft saß.

Als diese die Früchte sah, schickte sie einen Bedienten zu der Frau, daß er sie fragen sollte, wie viel die Früchte kosteten. Der Bediente ging hin und fragte, wie viel sie kosteten? bekam aber keine Antwort. Nachdem er ein paar Mal gefragt hatte, ward er ärgerlich, er dachte, sie schliefe und stieß sie an, daß sie aufwachen sollte, aber die Frau fiel rücklings ins Wasser hinein. Nun kam der Kibitz dazu gesprungen, und schrie und jammerte, daß man ihm seine Frau ins Wasser geworfen hätte und daß er die Herrschaft mit dem Diener verklagen wollte. Die Herrschaften sagten ihm, er möchte nur ruhig sein, sie wollten ihm auch den ganzen Wagen mit Dienern und allem geben. Mein Bauer that, als wenn er ihnen eine große Gefälligkeit erwiese, und nahm es an, setzte sich hinein und fuhr schnell nach seinem Dorfe zurück. Als er hier ankam, verwunderten sich die Bauern ob des schönen Wagens und der Pferde, aber noch größer war ihr Erstaunen und Schrecken, als aus der Kutsche unser Kibitz herausstieg. Er erzählte ihnen nun seine ganze Geschichte, aber nun noch zorniger auf ihn und weit neidischer gemacht, sperrten sie ihn in eine Tonne und wollten ihn so in das Wasser werfen.

Indem sie die Tonne nach dem Wasser vor sich hinrollten, kamen sie bei einem Kruge vorbei, eine Gelegenheit, die sie nicht vorüber gehen lassen wollten, um sich mit einem guten Schnaps zu ihrem Vorhaben zu stärken. Sie ließen daher die Tonne draußen liegen, nachdem sie sie an einen Baum gerollt und daran festgebunden hatten. Kaum merkte Kiebitz sich allein, als er auch gleich daran dachte, sich zu befreien. Bald hörte er auch: trappel, trappel, trappel eine Heerde Schafe ankommen und fing nun gleich an zu schreien: »ich will nicht Burgemeister werden! ich mag nicht Burgemeister werden!« Der erstaunte Schäfer trat hinzu und sagte: »Mann, warum schreit ihr so?« – »Je – sagte Kiebitz – sie wollen mich zum Burgemeister machen und das will ich nicht und da ich nicht will, wollen sie mich in's Wasser werfen und ersäufen.« – »Burgemeister möchte ich wohl werden;« antwortete der Schäfer. »Nun denn öffnet nur das Faß, sagte Kiebitz, laßt mich heraus und kriecht hinein und sie werden euch gleich zum Burgemeister machen.« Gesagt, gethan; der Schäfer kroch hinein, Kiebitz war frei und trieb die Heerde fröhlich gegen sein Dorf zu.

Als die Bauern aus dem Kruge kamen, rollten sie sträks ihr Faß weiter, während der Schäfer schrie: »ich will nun Burgemeister werden! ich will nun Burgemeister werden!« – »Das glauben wir gerne,« antworteten die Bauern und patsch lag die Tonne im Wasser und die Bauern gingen heim, fröhlich über ihre That. Aber wie sie zum einem Ende des Dorfs hineintreten, trieb Kiebitz, zu ihrem nicht geringen Erstaunen, die Heerde Schafe zum andern Ende in's Dorf. »Kiebitz, wo kommst her?« erscholl es aus einem Munde. »Je – antwortete er – habt ihr die weißen Blasen gesehen, als ihr mich in's Wasser warft? das ist ein verzaubertes Wasser. Alle die weißen Blasen sind Schafe, da habe ich mir denn die kleine Heerde zusammen getrieben; es sind noch tausendmal mehr da.« – »Können wir denn auch wohl welche bekommen?« fragten die Bauern. »Warum nicht? – war die Antwort – ihr müßt nur hinein springen und sie euch holen.«

So ward denn beschlossen, alle Bauern wollten sich Schafe holen; erst der Schulze, dann die andern Bauern, einer nach dem andern. Der Schulze sprang zuerst, die weißen Bläslein stiegen auf, und nun erwachte der Geiz in den übrigen Bauern, welche fürchteten, der Schulze möchte zu viele nehmen und sie nichts bekommen; alle sprangen auf einmal hinein und ertranken. Und Kiebitz erbte das ganze Dorf und ward ein reicher Mann.

Quelle: Johann Gustav Gottlieb Büsching: Volkssagen, Märchen und Legenden, Leipzig, Reclam, 1812,