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Der Schwanenpelz

  Edmund Veckenstedt: Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche 

In einer Festung, in welcher viel Soldaten standen, lebte ein Trommelschläger. Der ging einmal mit seiner Trommel an den großen, breiten Festungsgraben, welcher mit Bäumen umgeben war. Da sah er, wie drei wunderschöne Schwäne sich plötzlich auf dem Graben niederließen. Die Schwäne sahen sich um, ob Jemand in der Nahe sei. Der Trommelschläger hatte sich hinter einem Erlenstrauch versteckt, und so sahen sie denn Niemand. Da machten die Schwäne allerhand seltsame Geberden, darauf legten sie ihren Schwanenpelz ab: mit einem Male waren sie zu drei wunderschönen Jungfrauen geworden. Der Trommelschläger hinter seinem Erlenstrauch war vor Erstaunen ganz versteinert: solch schöne Mädchen hatte er noch niemals gesehen. Während die Jungfrauen sich nun badeten, schlich er leise heran und nahm einen Schwanenpelz. Er barg denselben in seinem Rock und wartete, was geschehen werde. Plötzlich kamen die Jungfrauen aus dem Wasser hervor und nahmen ihre Pelze, die dritte aber fand den ihren nicht. Da trat der Mann aus dem Gebüsch hervor und husch, flogen zwei Schwäne in die Lüfte. Nun bat die dritte Jungfrau den Trommelschläger, er möchte ihr doch den Pelz wiedergeben, aber der leugnete auf das Bestimmteste, dass er ihn habe. Er gab aber der Frau grosse Tücher, damit sie sich darin einhülle, dann nahm er sie mit nach der Stadt. Dort lebten beide lange Zeit mit einander. Der Mann hatte den Schwanenpelz in ein Schränkchen eingeschloßen und trug den Schlüssel zu dem Schranke stets bei sich.

Einstmals hatte er den Schlüssel stecken lassen. Plötzlich wurde Generalmarsch geschlagen und der Trommelschläger musste eilig fort. Kaum war er zur Thür hinaus, so öffnete seine Frau das Schränkchen, nahm den Schwanenpelz heraus, machte das Fenster auf, warf den Pelz über und flog als Schwan von dannen, nachdem sie vorher noch etwas auf den Tisch geschrieben hatte.

Als der Trommelschläger nach Hause kam, war seine Frau fort. Da sah er, daß etwas auf dem Tisch geschrieben stand. Er las die Schrift und fand, dass er an einem bestimmten Tage nach einem nur wenige Meilen von der Stadt entfernten Berge kommen solle. Es hieß dann weiter, er solle seine Trommel mitbringen, drei Mal um den Berg herum gehen und dazu drei Mal trommeln. Dann werde der Berg einfallen, in der Mitte werde ein Loch entstehen, in dieses Loch solle er hinabsteigen. Dann werde er einen Gang finden, diesen Gang solle er entlang gehen. Dann werde er einen Blumenstock sehen mit drei köstlichen Blüthen. Diese drei Blüthen müsse er brechen, dieselben einstecken und dann wieder zum Berge hinausgehen: dazu solle er wieder drei Mal trommeln.

Der bestimmte Tag kam, der Mann nahm seine Trommel und ging nach dem Berge. Drei Mal umschritt er den Berg und trommelte dazu drei Mal: plötzlich fiel der Berg von oben ein, und es ward in der Mitte ein tiefes Loch sichtbar. Schnell kroch er in das Loch hinein und kam bald an den Gang. Als er eine Strecke darin vorwärts gegangen war, fand er den Blumenstock mit den drei Blüthen; die brach er dann und kroch eilig, nachdem er drei Mal getrommelt hatte, zum Berge hinaus. Kaum hatte er den Berg verlassen, so zerbarst derselbe und es stand ein schönes Schloss da, wo derselbe früher gewesen war. Aus dem Schlosse kamen die schönen Jungfrauen hervor. Das waren die drei Prinzessinnen, welche in dem Berg als Schwäne verzaubert gewesen, nun aber erlöst waren. Der Mann, welcher sie erlöst hatte, blieb fortan bei ihnen und sehnte sich nicht mehr nach seiner Festung zurück.

Quellen: