Die Wünschelrute

  Engelschall, Beschreibung der Exulanten- und Bergstadt Johanngeorgenstadt. Leipzig, 1723, S. 172-174

Die Wünschelrute, durch welche Klüfte und Gänge ausgegangen werden, wird abgeschnitten von allerlei Holz, auch zu allen Zeiten, doch so, dass sie zwei Zacken oder Zwiesel hat, und man selbige in beiden Händen zwischen den Daumen und geschlossenen Fingern halten kann. Ja man mag auch eine andere Materie dazu gebrauchen, als Messing, Eisen u. dgl. Es ist aber der Nutzen der Rute dieser, dass sie die in der Erden liegende Klüfte und Gänge andeutet, indem, wenn der Rutengeher an dergleichen Stätte kommt und die Rute aufwärts hält, sie sich gewaltig niederbeuget und sich zuweilen, wenn sie stark gehalten wird, fast entzwei windet, während die Rute da, wo man dem Gange nicht folgt, sondern ihn überschreitet, wieder grade über sich unbeweglich steht.

Die Rute schlägt aber außer auf Gänge und Klüfte auch auf andere Dinge. Es entwendete eine Magd ihrer Herrschaft unterschiedliches, worauf man endlich einen Rutengänger holte, um im Hause die Rute zu schlagen, dieselbe führte ihn zu der Lade der Magd, in welcher sich auch die gestohlenen Sachen vorfanden. Ferner wurde einem Hammerwerksbesitzer allerhand entwendet. Derselbe schrieb an seine Freundin, den Rutengänger holen zu lassen, damit dieser mit der Rute forsche, ob nicht die Mägde des Befohlenen, und welche unter ihnen, den Diebstahl begangen hätten. Er schickte zu dem Ende deren Namen mit. Die Freundin legte beide Zettel mit den Namen auf den Tisch, aber die Rute wollte sich nicht bewegen. Da fiel es der Freundin ein, ob nicht der Junge des Hammerherrn, dem es dieser zwar gar nicht zutraute, den Diebstahl begangen habe. Sie schrieb also dessen Namen mit auf ein Papier, wickelte es zusammen und legte es heimlich mit auf den Tisch. Da fing die Rute an sich zu winden, und als die Zettel gesondert worden waren, schlug sie allezeit auf denjenigen, welcher mit des Jungen Namen beschrieben war. Der Hammerherr nahm darauf den Jungen vor und die entwendeten Sachen wurden von ihm wieder erlangt. - In einem Zechenhause bei Johanngeorgenstadt wurden unterschiedliche Zentner Kobalt entwendet, und weil einem frommen und christlichen Hammerwerksbesitzer, dem die Rute schlug, ein anderer Gewerke zuredete, zu versuchen, ob nicht die Rute den Dieb und dessen genommenen Weg anzeige, wollte dieser erst nicht darein willigen, in der Meinung, sie ziele nur auf Klüfte und Gänge. Er ließ sich aber doch bereden, nahm eine kleine Stufe Kobalt von dem Haufen weg, wovon ein Teil entwendet worden war, ging um das Zechenhaus, und als er an den erbrochenen Laden kam, schlug die Rute, führte ihn über die Wiese einen Berg hinauf und in einen Busch. Hier erblickte man frische Erde, und als diese hinweggeschafft worden war, fand sich eine Partie versteckter Kobalt. Darauf führte die Rute in einen zweiten und dritten Busch, so dass man wohl die Hälfte des gestohlenen Kobalts wieder bekam. Ja als sich einige Männer in der folgenden Nacht versteckten und die Diebe den Rest nachholen wollten, wurde einer davon ergriffen und nach Joachimsthal abgeliefert. - Die Rute schlägt auch auf Rainsteine. Einem Rutengänger wurde sofort der Rainstein im Boden angezeigt, ungeachtet schon Bäumchen darüber gewachsen waren. - Vielen Leuten schlägt die Rute gar nicht. Sie hat aber auch anderen von Kindheit an vortrefflich geschlagen, aber dieselben sind krank geworden oder gar ausgewachsen, und ob sie gleich wieder genesen, so hat ihnen doch die Rute keinen Zug mehr getan.

Anmerkungen: Zu den in der Einleitung zu diesem Abschnitte über die vermeintlichen Wirkungen der Wünschelrute und deren Gebranch vorangeschickten Bemerkungen möge noch folgendes beigefügt sein: Man fand in früheren Jahrhunderten Analogien dazu in dem das Wasser aus einem Felsen schlagenden Stabe des Moses, in der blühenden Rute Aarons, durch welche dem Moses der zum Priestertum bestimmte Stamm der Israeliten angezeigt ward, in der Rute der Minerva, welche den alten Ulysses wieder jung machte, in derjenigen der Zauberin Ciree, durch welche seine Gefährten verwandelt wurden und in dem Wunderstabe des Merkur, durch den Wachende in Schlaf fielen. Als man statt wirklicher Ruten Metalldraht und andere metallene Gegenstände aus unterirdische Gänge und vergrabene Schätze verwandte, mochte man zunächst zur Herstellung solcher Instrumente Legierungen aus verschiedenen Metallen gebraucht haben, bis man später fand, dass auch gewöhnliches Messing genügte. Ein frommer Prediger in Freiberg entdeckte z. B., wie eine alte Bergpredigt von Meltzer mitteilt, mittelst einer Lichtputze einen versteckten Groschen. An den beiden Enden der Rute wurde auch in einem seidenen oder tuchenen Fleckchen sogenannter Erdweihrauch, d. h. Harz aus Ameisenhaufen eingenäht. Man wollte ferner durch die Rute erfahren, ob Gold oder Silber und was für ein Erz, ob Rotgüldig oder Glanzerz n. s. w. in der Erde liege, wenn man davon ein Stückchen zugleich mit der Rute in die Hand nähme. (Physikalische Belustigungen. Berlin, 1751. S. 116 ec.)

Sicher ist, dass sich der Glaube an die wunderbare Kraft der Wünschelrute noch bis in die Gegenwart erhalten hat, obschon der Freiberger Professor Johann Friedrich Wilhelm Charpentier sich bewogen fand, auf dem Titelkupfer seiner 1778 erschienenen „Mineralogischen Geographie der Chursächsischen Lande“ das alte Vorurteil mit verbundenen Augen und fliehend, den aufgeklärten Genius aber die Wünschelrute zerbrechend darzustellen. Dr. Gustav E. Stein erzählt noch von einem Versuche, welcher anfangs der vierziger Jahre dieses Jahrhunderts in Freiberg auf Veranlassung eines Markscheiders angestellt wurde. In scheinbar wissenschaftlicher Weise war dabei von seiten dieses Markscheiders in einer Abhandlung die Wirkung einer ganz metallenen oder auch hölzernen, jedoch mit einem dünnen Metallüberzuge versehenen Rute durch elektrische Ströme erklärt worden, und es sollten auch zur bessern Leitung dieser Ströme die Schuhsohlen des Rutengängers mit dünnen Metallplatten belegt sein. Selbstverständlich blieben die von dem Verfasser der erwähnten Abhandlung erwarteten Erfolge aus.

Quelle: Erzgebirge-Museum.de