Der Hengstberg bei Hengstererben

  Wenisch, Sagen aus dem Joachimsthaler Bezirk, S. 76.)

In dem Hengstberge bei Abertham arbeiteten einmal fünf Bergleute, die wegen ihrer Frömmigkeit und Gottesfurcht weit und breit bekannt waren. Sie fuhren nie an, ohne den kräftigen Bergmannssegen gesprochen zu haben.

In Gottes Namen setzen
Wir unser Erz jetzt ein,
Lass uns von Deinen Schätzen
Aufs neu beschenket sein!
Wir sehn auf Deine Hände,
Wem du es gilbst, dem glückt´s,
Vom Anfang bis ans Ende
Herr benedei! so blickt´s!

Die Grube aber, in welcher sie arbeiteten, war ein Bau auf Zinn. Unverdrossen und mit treuem Sinn verrichteten sie ihre Schicht. Der Herr segnete auch ihrer Hände Fleiß , denn wo sie mit ihrem Gezähe einschlugen, arbeiteten sie große Mengen Erzes heraus, und daher kam es auch, dass die Strecken schon tief in den Berg hineinreichten. - Eines Tages versammelten sie sich wie gewöhnlich im Grubenhause. Immer pflegten sie heitern Angesichts zu sein, heute hingegen war in ihren Mienen Traurigkeit und Besorgnis zu lesen. „Freunde,“ hub der älteste an, „mir scheint, dass Ihr heute sehr ernsthaft gestimmt seid. Ich bin es auch und zwar, weil ich einen bösen Traum gehabt, in welchem ich mich in einer großen Gefahr befand.“ - „Uns ist es auch nicht besser gegangen,“ sprachen die Viere. Da sie aber fromm waren und feste Zuversicht auf Gott hatten, blieb ihr Gemüt ruhig, sie sangen ohne Furcht und mit Ergebung den Bergmannssegen und fuhren ein. Als sie vor Ort gekommen, falteten sie nochmals die Hände und beteten:

Jesu! Du reicher Schöpfer mein,
Tu kräftig sprechen
Auf allen Zechen
Den Segen Dein.
Bescher mit Freud´
Reiche Ausbeut´!
Wend´ allen Schaden,
Tu uns in Gnaden
Behüten fein!
Schicht! Schicht!

Da ward plötzlich die ganze Strecke sonnenhell erleuchtet, und die erschrockenen Bergleute wussten nicht, wie ihnen geschah. Sie hörten aber eine Stimme: „Fürchtet euch nicht, Ihr frommen Männer! Blicket auf zu mir, ich bin der Engel des Herrn, der Euer Gebet erhört! Gehet eilends aus der Grube, denn diese findet heute ihren Untergang!“

Die Fünf blickten auf und sahen freilich nur auf einen einzigen kurzen Augenblick das milde Antlitz des Himmelsboten, und als sie ihm danken wollten, war er verschwunden. Heiliger Schauer durchrieselte ihre Glieder, lautlos fuhren sie zu Tage, eilten zu den Ihrigen und dankten Gott für alle Gnaden mit Rührung und Andacht. Da krachte es auf einmal wie ungeheueres Gewitter vom Hengstenberge her, - der Bau war und blieb verschüttet.

Quelle: Erzgebirge-Museum.de