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XVI. Verschiedenes

  1. Wenn ein Kind gestorben ist, so muss man ihm seine Spielsachen mit in das Grab geben. Thut man das nicht, so raubt man dem Kinde seine Ruhe im Grabe.
  2. Wenn Kinder in der Stube gerade unter dem Balken spielen, so giebt es ein Unglück.
  3. Wenn man sich während der Zeit, in welcher es zur Christmesse lautet, unter drei Brücken wäscht, so kann man die Zukunft sehen.
  4. Wenn man Jemandes Liebe erringen will, so muss man ihm einen Tropfen Blut von seinem eigenen Blute in das Getränk mischen.
  5. In dem Hause, in welchem eine Wöchnerin nach ihrer Niederkunft den ersten Besuch macht, wird im Laufe des Jahres viel Geschirr zerbrochen.
  6. Wenn eine Frau die Schürze verliert, so wird sie bald als Pathe gebeten.
  7. Wenn eine Dienstmagd in den Dienst tritt, so muss man ihr als erste Arbeit aufgeben, zwei Kufen Wasser zu holen. Hat die Magd das gethan, so hält sie im Dienst aus.
  8. Wenn man sich mit dem Butterfass unter einen Balken stellt, um dort zu buttern, so geräth die Butter nicht.
  9. Man schreibt den Namen dessen, dem man schaden will, an die Glocke und zwar da, wo der Klöppel anschlagt. Dazu spricht man: „O Gott, Du weisst. Räche Dich an meinem Feind. Ich schwöre und befehle Dir, Glockenschlag. Im Namen der heiligen Dreieinigkeit.“
  10. Wer einen Feind hat und will denselben verderben, der muss die Erde, in welcher sich die Fussspur des Betreffenden befindet, ausschneiden, dieselbe in einen Sack thun und dann oben im Schornstein aufhängen. Hat man das gethan, so kann der Feind nicht gehen; er steht wie auf einem glühenden Roste und kann nur durch die Mittel einer klugen Frau oder eines klugen Mannes von dem gänzlichen Verderben gerettet werden.
  11. Wenn man Etwas gethan hat, was nicht recht ist so ist man dafür nur sieben Jahre verantwortlich.
  12. Wenn man auf die Speichen eines Wagenrades Zahlen schreibt und zwar von eins an, der Zahl der Speichen entsprechend, und man liest alsdann diese Zahlen rückwärts, so ist der Wagen gebannt und keine Macht kann ihn von der Stelle fortbewegen.
  13. Wenn eine Frau fürchtet, sie wird Kopfschmerzen bekommen, so muss sie den Unterrock vor dem Anziehen umkehren und so den ganzen Tag hindurch tragen.
  14. Wenn Jemand am Schlucken leidet, so muss man, um den Schlucken zu vertreiben, ein Messer ergreifen und thun als wollte man der Person mit der Messerklinge in das Gesicht stossen.
  15. Wenn man ein Messer oder sonst einen scharfen Gegenstand in den Wirbelwind hineinwirft, so wird man lahm.
  16. Vor dem Abendmahle darf man nichts essen. Thut man das, so gereicht Einem das Abendmahl zum Schaden.
  17. Wenn man Salz verliert, so geräth man in tiefe Armuth.
  18. Wenn man in ein unbewohntes, verfallenes Haus tritt, so gewinnen die Geister, welche darin hausen und deren Aufenthalt man stört, Gewalt über Einen.
  19. Wenn man seinen Rock auszieht und durch den Aermel desselben in einen Quirlwind hineinsieht^ so erblickt man darin den Teufel.
  20. Wenn die Kinder im Winter einen Schneemann im Hofe aufstellen, so schlägt im Sommer der Blitz in das betreffende Gehöft ein.
  21. Wenn man mit dem Finger nach einem Regenbogen zeigt, so verschwindet derselbe sofort.
  22. Wenn man sich in dem Augenblick, in welchem eine Sternschnuppe fällt, Etwas wünscht, so trifft es ein. Wünscht man es sich aber zur unrechten Zeit, so wird man von einem Unglück betroffen.
  23. Wenn ein Haar aus den Augenbrauen fallt, so muss man dasselbe wegpusten. Das, was man sich in dem Augenblick denkt, geht in Erfüllung.
  24. Wenn man einem Maulwurf die Pfoten abbeisst und dieselben stets bei sich trägt, so hat man in Allem, was man unternimmt, Glück.
  25. Wenn man sich mit dem ersten Schnee, welcher fällt, wäscht, so friert man den ganzen Winter nicht.
  26. Wenn man mit einem Krötenstein Gewächse vertreiben will, so muss man ihn einer Leiche auf das Auge legen und eine Nacht hindurch darauf liegen lassen.
  27. Wenn man von einer Kirchenglocke um Mitternacht etwas abschabt und das Abgeschabte in ein Getränk thut so hilft der Trank gegen jede schwere Krankheit.
  28. Wenn man eine äusserliche Krankheit vertreiben will, so muss man sie auf ein Geldstück versprechen. Alsdann muss man das Geldstück wegwerfen. Dann verschwindet die Krankheit. Wenn darauf Jemand das Geldstück findet und es an sich nimmt, so stellt sich die Krankheit bei ihm ein.
  29. In alten Zeiten hatten mehrere Dörfer einen Kirchhof. Dorthin wurden die Leichen auf einem bestimmten Wagen gefahren. Wenn der Wagen zu einer Leichenfahrt benutzt werden sollte, so wurde er mit neuen Leitern und Speichen versehen. War die Leichenfahrt beendet, so wurden die neuen Leitern und Speichen des Leichenwagens auf die Grenze des Dorfes gefahren. Dort lud man dieselben ab und liess sie daselbst liegen. Wer die Leitern oder Speichen nahm, den traf ein Unglück.
  30. Wer sich bei einem Gewitter auf die Thürschwelle stellt, den erschlägt der Blitz.
  31. Wenn ein Hund heulend bellt, so muss derjenige, welcher dies hört, zwölf bis fünfzehn Mal ausspucken. Thut er das nicht, so stirbt bald Jemand aus seiner Familie.
  32. In den Urnen, welche man in der Erde unversehrt findet sind die guten Menschen beigesetzt worden, die schlechten Menschen, welche viel Böses gethan haben, sind in Urnen beigesetzt, welche verletzt sind oder von denen sich in der Erde nur noch Splitter vorfinden.
  33. Wenn die Butter nicht werden will, so muss man dreimal sprechen:

„Christus Blut floss.
Wie ich die Sahne in's Fass goss.
Im Namen Gottes.
Christus Blut fing an zu rinnen,
Wie man ihm die Nägel schlug.
Im Namen des Vaters.
Christus Blut ward fest,
Wie man ihm stach in's Herz.
Im Namen des Sohnes und heiligen Geistes.“
Darauf muss man die Reifen des Fasses von oben nach unten zählen.

Quelle: Edmund Veckenstedt: Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche. Leuschner & Lubensky, Graz 1880