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Mit einem Werwolf mittags auf dem Acker

  Werben

Ein Bauer in Werben hatte einmal zwei Knechte. Von den Knechten war der eine ein Werwolf. Das wusste aber der andere Knecht nicht. Nun waren die beiden Knechte einmal im Frühjahr zusammen auf dem Felde und gruben auf dem Acker. Als es Mittag war, wollte der eine Knecht nach Hause gehen, der andere aber, welcher der Werwolf war, beredete ihn zu bleiben. Darauf grub er noch eine Weile, dann verliess er den Acker und ging über die Grenze. Dort weidete ein junges Füllen im Grase.

Als sich der Zurückgebliebene umsah, bemerkte er, wie sein Genosse sich in einen Wolf verwandelte. Der Wolf machte sich über das Füllen her; zerriss dasselbe und frass es auf. Da erfasste den Knecht ein Grauen, denn nun wusste er, dass sein Genosse ein Werwolf sei. Als es eins geschlagen hatte, kehrte der Knecht, welcher ein Wolf gewesen war, zu seinem Mitknecht zurück und that so, als ob nichts geschehen wäre. Der andere Knecht schwieg gleichfalls über den Vorfall und sagte kein Wort. Bei sich aber dachte er: „Diesmal bin ich mit Dir über Mittag draussen geblieben, aber es geschieht niemals mehr, dafür werde ich sorgen.“

Quelle: Edmund Veckenstedt: Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche. Leuschner & Lubensky, Graz 1880