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Der reiche Bauer aus Kolkwitz und sein Drache

  Kolkwitz

In Kolkwitz lebte einst ein reicher Bauer; man erzählte von ihm, dass er es mit einem Drachen zu thun habe. Zwei Mädchen, welche bei dem Bauer dienten, haben auch erfahren, dass es wahr gewesen ist, was man erzählte. Einstmals nämlich, als sie vom Tanze kamen, sahen sie, dass etwas über die Scheune des betreffenden Bauers hinweg in dessen Haus flog. Das Haus erglänzte hell, als ob viele Lichter in demselben angezündet wären.

Als die Frau des Bauers am andern Mittag heimlich Milchhirse kochte und damit verstohlen auf den Boden ging, schöpften die Mädchen Verdacht. Deshalb ging das eine von ihnen am nächsten Tage kurz vor zwölf Uhr auf den Boden. Dort sah es in einer Ecke eine Tonne stehen. Es ging darauf zu und erblickte in der Tonne etwas Schwarzes mit leuchtenden Punkten, als ob es Lichter wären. Darauf ging das Mädchen wieder hinunter und erzählte seiner Freundin, was es gesehen habe. Kurze Zeit darauf trug die Frau wie gewöhnlich die Milchhirse auf den Boden. Da erzählte ihr das schwarze Kalb, dass schon Jemand bei ihm gewesen sei. Die Frau ward sehr zornig, liess sich aber vor den Mädchen nichts merken.

Der Drache erschien nicht immer als Kalb, sondern manchmal auch in einer andern Gestalt in dem Gehöfte. So bemerkten die Mädchen mitunter ein fremdes, weißes Huhn; wenn sie es vom Hofe jagen wollten, so litt es die Frau nicht. Einst erzählten die Mädchen Alles, was sie gesehen hatten, einem alten Bauer. Der sagte ihnen, das Kalb und Huhn sei ein Drache; sie hätten durch denselben reich werden können. Wenn das Kalb nämlich rothe Lichter gehabt hätte, so hätte der Drache Geld bei sich gehabt, wenn es aber blaue Lichter gezeigt hätte, so würde der Drache Getreide haben fallen lassen, wenn sie sich vor ihn hingestellt und ihm den Rücken zugekehrt hätten.

Quelle: Edmund Veckenstedt: Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche. Leuschner & Lubensky, Graz 1880