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Der Mönch und die Nonne
Von dem Mönchskloster in Herrenbreitungen und von dem Nonnenkloster in Frauenbreitungen geht die allgemeine Sage, daß von einem Kloster zum andern unter dem Werrafluß hinweg, welcher die beiden Orte scheidet, ein tiefer Gang geführt habe, und noch führe. Einst liebte ein Mönch eine der Breitunger Klosterfrauen, und es wurde zwischen beiden Flucht verabredet. Der Mönch ging durch den Gang; drüben im Kloster harrte seiner die geliebte Nonne, und ward von ihm entführt. Die Liebenden flohen eilend in der frühen Morgenstunde, da es noch dämmerte, schifften über den See, um ihre Spur zu verbergen, und wanderten dem Walde zu. Es hatte aber ein andrer Mönch – dem es oblag, in einer kleinen Kapelle, deren Stätte man noch das Frühmeßchen nennt, allmorgentlich Messe zu lesen – irgendwo Kunde erhalten von jener Beider Liebe und dieser Flucht, liebte auch wohl selbst die schöne Nonne. Nun stand dort, wo jetzt Amtskastners Garten ist, ein großer Holzbirnbaum, hinter diesem versteckte sich der Mönch. Als jetzt das flüchtige Paar am Baum vorbeikam, stürzte er voll Haß und Wuth hervor, warf sich zwischen die Zwei, zuckte ein Messer und tödtete Beide, so fuhren sie in ihren Sünden und ohne Absolution dahin. Man sagt, daß noch im Abtswald die Nonne umgehe, und der Mönch beim Frühmeßchen, aber die Schatten können nicht zu einander kommen, denn zwischen Beiden steht mit drohenden Gebehrden die zürnende Gestalt ihres Mörders.
Quellen:
- Ludwig Bechstein - Der Sagenschatz und die Sagenkreise des Thüringerlandes, Meiningen und Hildburghausen, 1857, Verlag der Kesselringschen Hofbuchhandlung, Band IV S. 134-135