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Die treuen Jüdinnen
Als im Jahr 1349 die Juden fast überall in Deutschland hart verfolgt wurden, sammelten sich viele der Flüchtigen, wie die Meininger Chronik berichtet, zu den hier Wohnenden, welche von alten Jahren her große kaiserliche und fürstliche Privilegia und Freiheiten, auch eine eigene Synagoge hatten. Und weil sie von männiglich und allenthalben geachtet wurden, machten sie am Palmsonntag eine Verschwörung, sich die künftigen Lage zu verstärken und am Charfreitag die Christen unter der Passionspredigt in der Pfarr- und Klosterkirche zu überfallen, so viel möglich zu vertilgen und die Stadt als ein Asyl zu behaupten. Es traf sich aber, daß eine Christen-Magd sich verspätete und vom Oberthor her noch nach der Kirche eilte, an der Synagoge, die an dem Ort stand, wo man es jetzt die Kapelle nennt, vorbei kam und darin ein starkes Geräusch der mit Waffen versammelten Juden vernahm. Sie lief daher schnell in die Kirche und machte Lärm. Darauf griffen die Bürger zu den Waffen, stürmten die Synagoge und fingen oder erschlugen die meisten Juden. Die Gefangenen aber mit ihrem ganzen Gesinde, Weib und Kind, und was zu ihnen gehörte, sind her nachmals vom Bischof Albert von Hohenlohe zu Würzburg, welchem Stift die Stadt gehörte, zum Feuer verurtheilt worden. Am Tage der Aposteltheilung, im Juli, wurde das Urtheil auf dem untern Rasen vollstreckt.
Und es wird gesagt, daß zwei schöne Judenmädchen unter den Gefangenen waren, welche von zwei Bürgerssöhnen geliebt wurden, die sie heirathen wollten, wenn sie Christinnen würden und sich taufen ließen; allein sie willigten nicht in dieses Verlangen, sondern eilten zum Feuer und starben lieber mit ihren Aeltern und Freunden, als daß sie Christinnen geworden wären.
Quellen:
- Ludwig Bechstein - Der Sagenschatz und die Sagenkreise des Thüringerlandes, Meiningen und Hildburghausen, 1857, Verlag der Kesselringschen Hofbuchhandlung