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Georgenthaler Klostersagen

Vom Kloster zu Georgenthal steht nichts mehr, als das Fruchthäuschen, der Hexenthurm, und der größte Theil der Umfangmauer, und über der Stelle, wo die Hauptgebäude standen, rauscht ein Wald. Das Kloster fand auf ähnliche Weise, wie Reinhardsbrunn1), im Bauernkrieg seinen Untergang, und die stürmische Zeit vertilgte es ganz. Nur scheuen Trittes rauscht durch der Bäume abgestorbenes Laub das die moosbewachsenen niedern Trümmerhügel deckt, die Sage des Volkes.

In dem Fruchthäuschen, das früher wohl eine ganz andere Bestimmung hatte, als die, von der es jetzt seinen Namen trägt, sieht man eine noch ziemlich gut erhaltene gothische Rose, von meisterhafter Arbeit und überaus künstlich in Sandstein durchbrochen ausgearbeitet. Von der großen runden Oeffnung, die sie bildet, erzählt man sich, daß sie genau so weit sei, wie die äußerste Mündung der großen Glocke im Erfurter Domstift.

Die Kirche zu Georgenthal soll in frühern Zeiten nichts weiter als ein Schafstall des Klosters gewesen sein.

Bei dem Fruchthaus, recht unter der großen steinernen Rose, liegt ein großer Schatz, auch geht es dort in der Nähe um. Das wiederholt sich bei allen Klosterstätten. Einmal ging eine in der Mittagsstunde in dem Klostergarten in das Gras, da steht plötzlich oben auf der Anhöhe, über welche die Mauer sich hinzieht, ein schleierweißes Frauchen und winkt. Der Schlüsselbund fehlt nicht, und es winkt und winkt, bis die Glocke zwölf schlägt, da ist es mit einemmal hinweg. Die Grasende ging mit ihrer Tracht ins Dorf, der Weg führt sie dicht am Fruchthaus vorbei, da liegt ein schönes Tuch mit hellen Leinknotten. Sie verwundert sich, wo doch an diesen Ort die Knotten herkommen, und steckt zwei davon ein. Wie sie nach Hause kommt, sind es zwei blanke Dukaten.

Das erzählen viele Leute in Georgenthal, daß vor nicht allzulanger Zeit ein Schneider lebte, der Wilhelm hieß, in der Sprache des Volks Welm. Dessen Frau träumt drei Nächte hinter einander, ein weißes Fräubchen (Frauchen) erscheine ihr und deute ihr an, sie solle hin an das Kornhaus und den Schatz heben; und weil es ihr dreimal träumt, so geht sie hin, und ihr Mann geht mit, beide voll Todesangst. Sie finden auch allerdings die Stelle und graben still und herzhaft darauf los, denn reden darf bei Leibe nicht, wer einen Schatz hebt. Da rasselt's schon, da klingt's, da thut's einen Ruck von unten herauf, der Topf ist da, und da kommt ein kohlschwarzer Kater, der seht über den Topf. Laut schreit vor Schreck die Frau: Ach Welm! Ach Welm! - Hui! Weg ist der Schatz.

Quellen:


1)
S. den Sagenkreis von Reinhardsbrunn, Th. I.