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Die Teufelsmauer von Goyatz

  Goyatz

Unweit des Dorfes Goyatz liegt ein Berg, ganz in der Nähe des Schwielochsees, welcher der Bosch'sche Berg heisst. Dicht an dem Berge befindet sich eine Mauer, welche nur von grossen Feldsteinen, ohne Kalk und sonstige Bindemittel, hergestellt ist. Von dieser Mauer, welche die Teufelsmauer heisst, erzählt man Folgendes:

Vor uralten Zeiten besass ein Braukrugbesitzer dicht an diesem Berge ein Stück Acker. Das Feld litt oft vom Wasser Schaden, denn es lag dicht am See. Eines Abends trat ein kleiner Mann an den alten Krüger, welcher gerade vor der Thür stand, heran. Er bot demselben einen guten Abend und fragte, wie es ihm ginge. Da klagte ihm der Krüger sein Leid wegen des Ackerstückes. Er sagte auch, dass er viel darum geben würde, wenn dem Uebel abgeholfen würde. Da sprach der Kleine: „Was gilt die Wette? Ehe die Hahne krähen, soll eine grosse Mauer den Acker schützen“ Das schien dem Krüger unmöglich. Doch der Kleine sprach wieder: „Ich will die Mauer aufführen, Du musst mir aber versprechen, dass Deine Seele nach dem Tode mir gehört.“

Der Krüger, in der Freude, dass dem Schaden abgeholfen werden sollte, ohne recht zu wissen, mit wem er es zu thun habe, sprach: „Topp, die Wette gilt.“ Darauf verschwand der Kleine. Als es Nacht wurde, konnte der Krüger keinen Schlaf finden; mancherlei Bedenken wurden in ihm lebendig. Da, als Mitternacht kam und immer noch kein Hahn krähte, ging er über seinen Hof. Weil er gehört hatte, dass die Hähne erst mit den Flügeln schlagen, bevor sie krähen, schlug er in seiner Angst mit beiden Händen auf die Lederhose, welche er anhatte, und horch, kaum hatte er einige Male zugeschlagen, so fing sein Hahn an zu krähen, worauf die andern Hähne im Dorfe Gleiches thaten. Da horte er plötzlich ein Sausen in der Luft und darauf einen dumpfen Schlag vor der Thür. Als er vor die Thür kam, fand er dort einen mächtigen Stein liegen: das war der Stein, welchen der Kleine hatte fallen lassen, als der Hahn gekräht hatte; denn eben dieser Stein fehlte noch an der Mauer.

Am andern Morgen, als der Krüger nach seinem Acker ging, sah er, dass eine grosse Mauer aus mächtigen Steinen seinen Acker schützte. Die Mauer war vollständig fertig, bis auf den einen Stein, welcher vor seiner Thür lag. Seit der Zeit hiess diese Mauer die Teufelsmauer.

Quelle: Edmund Veckenstedt: Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche. Leuschner & Lubensky, Graz 1880