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Ein Knecht lernt das fürchten

  Gross-Lieskow

Bei Klinge liegt an dem Wege, welcher nach Gross-Lieskow führt, ein spitz zu gehender Berg, bei dem es um Mitternacht nicht recht geheuer ist. Nun hatte sich einmal ein Knecht bis gegen elf Uhr in Klinge aufgehalten. Zwar sagte man ihm, er solle um diese Zeit nicht mehr heimfahren, sondern erst die Mitternacht abwarten, allein der Knecht hörte auf die Warnungen nicht, sondern fuhr fort.

Als es elf geworden und er in die Nähe des Berges gekommen war, blieben die Pferde plötzlich stehen. So sehr er auch schimpfte und fluchte, nichts half; die Pferde rührten sich nicht. Nun merkte er wohl, dass es mit dem Spuk seine Richtigkeit habe. Damit ihm also nicht noch mehr Unheil zustosse, hielt er sich genau in der Mitte des Weges zwischen den beiden Wagenspuren; weil er gehört hatte, dann könne ihm Niemand etwas anhaben. Er brachte auch glücklich die Stunde so hin, ohne dass ihm ein Unglück zustiess. Mit dem Schlage zwölf zogen die Pferde wieder an und er kam glücklich nach Hause.

Quelle: Edmund Veckenstedt: Wendische Sagen, Märchen und abergläubische Gebräuche. Leuschner & Lubensky, Graz 1880