Spukgestalt

Nachdem aber die Leiche des Schef Schnuess in einer Ecke des Kirchhofs verscharrt worden war, sollte man meinen, die Geschichte wäre zu Ende. Dem ist aber nicht so, denn nach der Meinung des Volkes bekommt ein Mensch, der andere mit Vorsatz gequält und allerlei Unheil und schlimme Streiche ausgebrütet, auch im Grabe keine Ruhe. Als eine Warnung für alle unglückseligen, boshaften Menschenkinder spukt seine arme Seele also in der Gestalt, wie er leibte und lebte, mit der Perücke auf dem Kopfe herum; auf den Schultern trägt er ein Spinnrad und vor seinem schiefen Munde hängt ein mächtiges Vorhängeschloss als Zeichen seiner schlimmen Sünden.

Noch vor etlichen Jahren will ein Geister sehendes Bäuerlein aus einem benachbarten Dorfe die lange schwarze Gestalt allnächtlich um Mitternacht mit einer hell leuchtenden Laterne, die jedenfalls das ihm im Leben fehlende Licht des gesunden Menschenverstandes andeutet, den Berg nach Eschweiler hinaufwanken gesehen haben, ein schrecklicher Anblick, umgeben von allen Teufelsgespenstern, denn auch im Geisterreiche gilt wie bei den Menschen, dass sich gleich und gleich gern geselle. Das könne aber der gespenstigen Umgebung nach kein anderer gewesen sein als „de schef Schnüss“, denn welchem vernünftigen Menschen könnte es einfallen, um Mitternacht und zumal in einem solchen Aufzuge zu nachtschlafender Zeit durch die Berge zu ziehen?

Jetzt aber hat man lange nichts mehr von dem Gespenst gehört. Vielleicht hat jemand den Mut gehabt, das Schloss vor dem schiefen Munde aufzuschließen und ihm die Bürde einen Augenblick von den müden Schultern zu nehmen, und so die arme Seele erlöst, so dass der unglückselige Mensch mit der bösen Zunge, der Wurzel vieler Übel, endlich zur Ruhe gekommen ist, die wir ihm in christlicher Liebe gönnen mögen.

Quelle: Pfarrer Krause, Eschweiler: Perückenhannes von der Olligsmühle oder das böse Schiefmaul von Eschweiler. In Eifelvereinsblatt April 1913, Seite 84-86; www.sophie-lange.de