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Der Schneider aus Wendisch-Drehna

In Wendisch-Drehna lebte einmal ein Schneider vor sehr langer Zeit, der schneiderte selten und trank viel. Da machten sich die Leute oft einen Spaß mit ihm. Einmal hatte er eine Ziege gehandelt in Klein-Kraußnigk, und da machte er sich auf, sie zu holen. Weil es sehr heiß war, ging er bei frühen Zeiten weg und wollte auf Mittag wieder zu Hause sein. Als er nach Wehnsdorf kam, sah der Schenker aus seinem Hause, und weil der Schneider vorüber gehen wollte, sagte er: „Gevatter, du kannst mir auch einen Groschen auf die Schwelle legen.“ Der Schneider hatte erst nicht einkehren wollen und freute sich, daß der Krüger ihn verführte. Er trank ein Pulleken und noch eins und trank bis er duhne war. Dabei erzählte er dem Schenker, was er für ein Gewerbe heute habe. Endlich ging er fort, aber die Sonne ging schon über Mittag weg. Er kam nach Klein-Kraußnigk, und die Leute gaben ihm die Ziege. Der Schneider führte sie an einem Strick und kam wieder nach Wehnsdorf. Es war schon gegen Abend. Er ging wieder in den Gasthof und band derweile die Ziege draußen an. Der Schenker war aber ein Schalk und hatte einen Bock im Stall. Da sagte er zu einem seiner Söhne: Geh' und binde für die Ziege den Bock an. Das tat der. Darnach, als der Schneider genug getrunken hatte, ging er davon und zog den Bock nach sich. Bei ganz dunker kam er zu Hause an, und die Frau schlief schon. Da weckte er sie und sagte, sie solle aufstehen und die Ziege melken. Die Frau war schon ärgerlich, weil er so lange geblieben war und schimpfte und nahm einen Topf und ging in den Stall. Erst wunderte sie sich über das kleine Euter, und dann fühlte sie, daß es ein Bockbeutel war. Da machte die Frau großen Lärm und wollte ihrem Manne den Topf an den Kopf werfen. Der war ganz erschrocken und gab ihr gute Worte und versprach, er wolle den Bock gleich den andern Tag umtauschen und es den Betrügern in Klein-Kraußnigk ordentlich geben. Da war die Frau endlich zufrieden. Am anderen Tag regnete es sehr stark und sehr lange, so daß der Schneider erst am Nachmittage gehen konnte. Als er nach Wehnsdorf kam, ging er in die Schenke und schimpfte auf die Leute und trank einige. Derweile er drinnen war, hieß der Schenker seinen Sohn den Bock mit der Ziege zurückzutauschen. Als der Schneider satt war, machte er sich auf den Weg nach Klein-Kraußnigk. Da kam er an, als die Leute schon schliefen. Er klopfte an die Tür und machte solchen Lärm, daß auch die Nachbarn heraus kamen und meinten Wunder was wäre. Als die alten Leute ihn fragten, was er wollte, schimpfte er sie Betrüger und sie hätten ihm einen Bock für eine Ziege verkauft. Die Leute verwunderten sich und beguckten die Ziege und konnten nicht sehen, daß es ein Bock wäre. Da lachten den Schneider die Menschen aus und wollten ihm den Buckel vollhauen, weil er die Leute Betrüger geheißen hatte. Da mußte er gute Worte geben. Dann ließen sie ihn gehen. Als er durch Wehnsdorf kam, war die Schenke schon zu und er mußte durstig bis nach Drehna wandern. Da wartete seine Frau auf ihn. Der Schenker aber stand in der Gaststube und lauerte durch das Ladenherz und wollte sich totlachen über seinen Streich. Seit der Zeit verkauft man an „Drehnsche“ die Ziegen immer bloß bei Tage.

Quelle: Robert Scharnweber & Otto Jungrichter: Sagen, Anekdoten und Schnurren aus dem Kreise Luckau N.-L., Berlin 1933